Reibung erzeugt Energie ... auch beim Effzeh

Kurz vor dem Anpfiff auf Schalke (Bild: Stephan Fett)
Kurz vor dem Anpfiff auf Schalke (Bild: Stephan Fett)

Es gibt ja diese Momente, in denen man sich selbst nicht mehr im Griff hat. Am Samstagabend gegen 20:18 Uhr war es bei mir soweit. Gerade noch hatte der Schalker Torwart Nübel beim Stande von 1:0 für die Königsblauen Modestes Geschoss noch irgendwie zur Ecke abgewehrt.

 

Eine unfassbare Aktion, Gratulation dazu! Aber wir vom Effzeh waren mal wieder die Gelackmeierten. Es lief die 92. Minute, Modestes Abschluss schien die letzte Chance gewesen zu sein und in wenigen Sekunden würden wir einmal mehr mit ordentlicher Leistung, aber ohne Punkte dastehen. Ich hörte sie schon, die anschließenden Interviews: „ … alles gegeben … haben uns nicht belohnt … müssen weiter an uns glauben …" usw. usw.

 

Ein paar Sekunden später wurden meine Stimmbänder einem extremen Belastungstest unterzogen, denn nach der Ecke hatte Jonas Hector seinen Hinterkopf hingehalten und den Ball über Super-Nübel hinweg genickt. Fast eine Sekunde brauchte ich, um zu kapieren, das der Ball tatsächlich im Netz war und kein Schiedsrichter das Ding zurückpfiff. Da gab es kein Halten mehr. Orgiastischer Jubel, wohl nicht nur bei mir … allen FC-Fans dürfte es ähnlich gegangen sein – und ca. 55.000 Schalker, die zuvor ihre Tabellenführung laut gefeiert hatten, wurden auf einmal sehr leise. Typisch Schalke, eben doch nur ein „18-Minuten-Tabellenführer-der-Herzen“.

 

Für mich stand völlig außer Frage, das der Punkt verdient war. Die Mannschaft hatte eine wirklich gute erste Halbzeit gespielt, hätte durch Ehizibues Flugkopfball aus etwa fünf Metern in Führung gehen MÜSSEN und sie fiel gegen die “Mannschaft der Stunde“ kein bisschen ab. Auch in der sicher schwierigeren zweiten Halbzeit war sie bis zur glücklichen Schalker Führung auf  Augenhöhe unterwegs und trotz sechs neuen Spielern in der Startelf wirkte das insgesamt recht harmonisch und vor allem war das Team läuferisch überzeugend.

Trainer hat Zeichen gesetzt

Trainer Achim Beierlorzer hatte zuvor das von so manchen geforderte Zeichen gesetzt, indem er den 18-jährigen Debütanten Noah Katterbach auf die linke Außenverteidigerposition gestellt hatte. Der Junge überzeugte fast auf ganzer Linie, wie viele andere an dem Abend auch. Einige der bisher gesetzten Spieler wie zunächst Modeste und Cordoba oder auch Höger (das komplette Spiel) mussten sich das Schauspiel von der Bank aus anschauen.

 

Man fragte sich, warum klappte das alles erst jetzt? Warum lief die Mannschaft erst jetzt so viel, wo ihr das Wasser buchstäblich bis zum Halse stand? Könnte es nicht auch EIN Ansatz sein, das der „ach so böse Druck“ nicht ganz unschuldig an der Steigerung war?

 

In der FC-Außendarstellung herrscht seit geraumer Zeit das Gesetz, das „Druck“ und „Unruhe“ grundsätzlich schädlich sind. Dies wurde in den öffentlichen Darstellungen so oft wiederholt, das viele Fans dies beständig wiederholen. „Bloß nicht zu viel Druck ausüben, sonst haben wir Unruhe … und die ist prinzipiell nicht dienlich“. Dabei wurde leider manchmal vergessen, dass es verschiedene Arten von Unruhe gibt. Destruktive Kritik, die gleichwohl negative Unruhe erzeugt, will tatsächlich keiner. Gibt es aber gar keine konstruktive Kritik oder keinen Druck mehr, dann entsteht irgendwann eine „Blase“, so etwas nennt man auch gerne „Wohlfühloase“.

Tschüss Wohlfühloase Köln

Der ein- oder andere FC-Spieler äußerte sich ja gerne schon einmal in Interviews zum angeblich so großen Druck in Köln. Daher wähnte so mancher Kritiker diverse Profis bereits schon länger in einer solchen  Wohlfühloase. In den letzten Wochen lieferten die Daten dazu auch noch die passenden Werte. Mit Abstand lag der Effzeh auf dem letzten Platz der gelaufenen Kilometer. Dies war bereits in der zweiten Liga so, doch da hielt man das Argument dagegen, das man als individuell überlegene Mannschaft naturgemäß weniger laufen würde, weil die anderen einem ja mehr hinterherlaufen müssen. Eine Aussage, die keineswegs in der ersten Liga als Erklärung herhalten darf.

 

Der Druck war also nun für die Mannschaft da. Die Laufwerte waren bekannt geworden, Trainer Achim Beierlorzer hatte auf der letzten Spieltagspressekonferenz unbewusst (oder bewusst?) sogar die Aussage getroffen, das die Mannschaft bereits seit drei Wochen mit der Thematik konfrontiert war und sich dennoch nichts änderte. Sie war also am Samstagabend in der Pflicht … und sie lieferte. Das sie dabei auch Unterstützung für den jungen Katterbach lieferte, mag dabei auch eine Rolle gespielt haben. Vielleicht hat Beierlorzer das ja auch genauso gewollt und der Mannschaft einen zusätzlichen Grund gegeben, den Youngster unterstützend, sich den Allerwertesten aufzureißen.

Druck erzeugt Reibung - Reibung erzeugt Energie

Zugegeben, in Physik war ich früher eine ziemliche Niete, aber das hoher Druck eine gewisse Reibung erzeugt, das weiß ich. Und Reibung erzeugt Energie, auch das ist mir noch präsent. Dies hat hier in Köln in letzter Zeit gefehlt. Die Mannschaft hatte sich zu sehr an die vom Verein vorgegebene „Ruhe“ gewöhnt und es sich in Köln gemütlich eingerichtet.

 

Diese ursprünglich gut gemeinte Politik schaffte aber zu viele Alibis. Es wurde eine Wohlfühloase geschaffen, mit der man zwar irgendwie durch die zweite Liga kommen kann, aber niemals wird man so in der ersten Liga bestehen können. Man muss schlicht druckresistent werden. Der 1. FC Köln ist Aufsteiger und hat als solcher den brutalen Kampf in dieser Klasse anzunehmen. Alleine das erzeugt schon Druck. Die FC-Spieler sollten diesen Druck akzeptieren und ihn aushalten, man frage einen Champion wie Oliver Kahn, der den Druck annahm und dadurch stärker wurde. Die gemütlichen Jahre in Köln sollten der Vergangenheit angehören.

 

Die Mannschaft hat das Potenzial diese Klasse zu halten, aber sie wird viel dafür tun und viel aushalten müssen. Am Ende wird es nicht immer, aber immer wieder mal solche Belohnungen wie der befreiende Torschrei am Samstag gegen Schalke geben. Dafür lohnt sich doch der Aufwand, oder?