"Eine Schaufel Sand"

"Eine Nachspielzeit, die in die jüngere Vereinsgeschichte eingehen kann"

90 Minuten lang, bis ziemlich genau 17:19 Uhr zeigte der FC im „Alles oder Nichts-Spiel“ gegen den VfL Bochum sein Saison-Dilemma in fast schon routiniert-gewohnter Form: Ordentlicher Kampf, durchaus mit viel Willen, aber ohne den allerletzten Rest Entschlossenheit gepaart mit vielen spielerischen und fußballerischen Mängeln, die einmal mehr in die  totale Offensivharmlosigkeit mündeten. Bochum hingegen traf mit einer seiner ganz wenigen Chancen, natürlich taten sie das. Der FC mühte sich, blieb aber glücklos und so war das Ende nah, denn 10 Punkte Rückstand auf Bochum und vier Punkte auf immer stärker werdende Mainzer hätten wohl den Deckel auf den Sarg der FC-Hoffnungen geschmissen. Dieser hätte dann nur noch zugenagelt werden müssen.

 

Es war noch nicht mal 17:21 Uhr, also keine 120 Sekunden später, als als auf der Richterskala rund um Müngersdorf die Nadeln nach oben geschnellt sein mussten. Das kölsche Stadion explodierte regelrecht, die Emotionen mussten raus, hatten doch Steffen Tigges und Luca Waldschmidt das komplette 90-Minuten Match zuvor vergessen lassen und wohl für den emotionalsten Moment seit dem 20. Mai 2017 gesorgt. Besonders der Torjubel zum 2:1 dürfte dem des Osako-Tors zur Teilnahme an den europäischen Festspielen vor sieben Jahren entsprochen haben. Was ein Moment, … der mich als Laien-Cineast an ein bekanntes Filmzitat erinnerte.

„Eine Schaufel Sand, … der liebe Gott hat uns eine Schaufel Sand unter den Kiel geschmissen“. So kommentierte der U96 Kommandant (Jürgen Prochnow) im Kinoklassiker „Das Boot“ von 1981 den Augenblick, als das sinkende U-Boot in 280m Wassertiefe in quasi letzter Sekunde unerwartet von einem sandigen, Untersee-Höhenzug aufgehalten wurde. Wäre es weiter gesunken, hätte der steigende Wasserdruck es zerquetscht. Die Crew nutzte anschließend die Zeit zur Reparatur, um mit letzter Kraft dem Untergang zu entkommen.

 

Nichts anderes, nur eben auf dem Sportplatz und nicht im Spielfilm, ist gestern auch im Kölner Stadion passiert. Der FC hat sich durch das unfassbare Momentum wieder zurück in die Lage gebracht, sich aus eigener Kraft in die Relegation zu retten. Ja, es erscheint nun sogar sich nicht gänzlich unrealistisch, sich sogar auf den 15. Platz vorzuspielen. Und was noch mehr zählt, der 1. FC Köln hat sich selbst mit einem emotionalen Rückenwind versorgt, der Berge versetzen KANN!

Im letzten „Thekenphilosophen“ Podcast mit Thomas Wagner (siehe Video unter diesem Abschnitt) habe ich mir im Gespräch mit dem Sky-Moderator im Prinzip genau ein solches Szenario gewünscht. Eine Initialzündung durch ein besonderes Spiel … und erinnerte dabei an den 3:2 Sieg über Mainz aus dem Jahr 2022, als Luca Kilian vor fast genau 2 Jahren (9.4.22) final den verdienten 0:2 Rückstand in einen 3:2 Sieg des reinen Willens wandelte und den FC erfolgreich auf den Europa-Pfad zur Erreichung der Conference League schickte. In der Woche darauf filetierte man Gladbach in deren eigenem Stadion (1:3), besiegte Bielefeld zu Hause (3:1) und triumphierte in besonderer Weise mit 4:1 in Augsburg. Die Grundlage für den Europa-Erfolg und alle waren sich einig, dass das Mainz Spiel aufgrund seiner speziellen Dramatik der emotionale Startpunkt war …

Diesmal geht es nicht um Europa, sondern ums nackte Überleben in dieser Liga. Noch ist rein gar nichts gewonnen, aber die Chance lebt wieder und sie lebt besser als zuvor. Das alles wegen einer Nachspielzeit, die alles hat, jüngere Vereinsgeschichte zu schreiben, wenn  man den Rückenwind richtig nutzt.

 

Es bleibt weiter eine schwierige Aufgabe und ein Hollywood-reifes Spielfinale macht aus dem FC von heute auf Morgen nun keine richtig gute Fußballmannschaft. Das muss es aber auch nicht, es reicht, das die Jungs wissen, das sich immer alles noch drehen kann und der Fußball die irrwitzigsten Geschichten schreiben kann.

 

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