Nach dem schwarzen Donnerstag - Gedanken zum FC - Weihnachten 2023

Eine Standortbestimmung 

Da sitze ich Volltrottel wieder hier und klöppele einen FC-Text vor mich hin, anstatt mich um die wichtigen Vorarbeiten zum schönsten Familienfest des Jahres (für uns ist es das) zu kümmern. Aber okay, so ist das eben, wenn man immer behauptet, der Verein nehme „nicht mehr so viel Platz in meinem Leben“ ein. Es ist eine Illusion und in dem Moment, wo ich das behaupte, ist genau das bereits klar: Das es eben eine „Notlüge“ ist, dass man sich das alles nicht mehr so sehr zu Herzen nimmt. So muss Abhängigkeit sein, die sich mal mehr und mal weniger bemerkbar macht. Meistens mehr …

 

Was also kann man schlaues, nützliches oder dämliches und unnützes zum 1. FC Köln nach der ausgerufenen „Apokalypse“ schreiben? Irgendwas zwischen „Schicksal als Chance, wir greifen an“ und „Das war es, der Verein ist tot“, wie man ja so oft auf Social Media und auch in den Medien liest?

 

Zunächst mal hat ja nur ein Trainer seinen Posten räumen müssen, was in Köln wahrlich nicht ungewöhnlich ist. Gut, ganz sicher war SB72 ein besonderer Trainer. Aber ich bin sicher, den 1. FC Köln hat auch nach Steffen Baumgart noch ein Existenzrecht. Lediglich die schicke Mütze wird nach und nach aus dem Alltagsbild des Effzeh verschwinden, da gibt es Schlimmeres. Ich hätte aber gerne noch mit Baumgart weiter gemacht, aber irgendwo ist sein Ende als FC-Trainer auch konsequent und richtig, wenn er sagt, er hätte Probleme, sich noch mit voller Kraft rein zu schmeißen. Wer zaudert und nicht bei 100% ist, kann dem Team in dieser extrem schwierigen Phase nicht mehr richtig helfen, insofern ist seine Demission ja auch folgerichtig. 

Der Trainer und sein Nachfolger

 

Es wird schwer, einen passenden Nachfolger zu finden, vor allem, wenn dieser quasi eine „Baumgart-Kopie“ darstellen soll. Schließlich hat sich der FC dem Stil seines mittlerweile Ex-Trainers ja komplett verschrieben, agiert auch in den U-Mannschaften nach dessen Prinzip. Dieser Stil soll fortgesetzt werden, was ich ein wenig bedenklich finde, denn dieser Stil ist am Ende mit Baumgart zusammen krachend gescheitert. Aber okay, natürlich ist auch der Offensivfußball, für den Baumgart stand, nicht eindimensional, es kann variiert werden. Dennoch stelle ich mir das in den Verhandlungen nicht einfach vor, wenn man dem Kandidaten mehr oder weniger den Stil seines Vorgängers als Voraussetzung aufs Tablett legt.

 

Zumal dieser neue Trainer maßgeblich vom Geschäftsführer Sport Christian Keller ausgesucht wird. Diesen habe ich lange, sehr lange Zeit sehr positiv gesehen. Weil er durchaus gute Gedanken hat, weil er in der Theorie Ansätze nennt, die mir wirklich gut gefallen. Der Mann kann sich verbal sehr gut mitteilen und was er sagt hat durchaus Hand und Fuß. Für mich war er lange Zeit ein Hoffnungsträger, dessen Arbeit sich wohl eher langfristig positiv auswirken wird, so meine bisherige Meinung über ihn.

 

Christian Keller - Zwischen Worten und Taten

 

Ich finde es teilweise beschämend, wie nun gegen diesen Mann agiert wird, welche vernichtende Sprache dabei benutzt wird. Da kann ich nur inständig um Mäßigung bitten, denn ich bin sicher dass Keller das Beste für den Verein will und wollte. Aber, kritisieren und dabei stichhaltige Argumente nennen, das darf man natürlich. Und da muss man klar sagen, dass seine Erfolgsbilanz bisher äußerst bescheiden, wenn nicht desaströs ist. Alleine sein größter Fehler, der Umgang mit dem von Vorgängern und noch im Verein befindlichen Personen verursachten „Fall Potocnic“ ist eigentlich unverzeihlich. Ich will nicht jedes Detail wiederholen (… wie gesagt, Weihnachten steht vor der Tür und diverse Aufgaben warten), aber es hat zig Chancen gegeben, diesen Fall im Vorfeld zu lösen. Alle, wirklich alle Gelegenheiten hat er liegengelassen, bis es zum Super-GAU kam. Das Urteil war nichts anderes als eine Bestätigung, dass der FC „Menschenhandel“ betreibt. Wenn das selbst der CAS , also nicht die FIFA, bestätigt und nicht mal ein Kompromissurteil fällt, dann ist das mehr als nur eine schallende Ohrfeige. Es ist ein schwerer KO-Schlag mit Nachtreten. Der FC ist blamiert worden, steht im Sportumfeld als nun Vorbestrafter da. Das hat nicht Keller alleine zu verantworten, aber eben zum Großteil. Alleine dieses Urteil wird den FC zwar nicht vernichten, aber sehr weit zurückwerfen. Bisher ist dieses Urteil die nachhaltigste und langlebigste „Arbeitsbilanz“ Kellers und passt so gar nicht zu dem, was er durch seine so seriöse Art und Weise einmal versprochen hat. 

Der "Fall Potocnic" & Kaderzusammenstellung, wenig überzeugende Ergebnisse

 

Dazu kommt noch seine Bilanz als Kader-Verantwortlicher. Seit Keller da ist, ist der Kader immer schwächer geworden. Das war sicher nicht immer seine Schuld, schließlich haben sehr freigebige Vorgänger auf den Geschäftsführerposten im Bereich Sport und Finanzen zuvor Geld verbrannt als gäbe es kein Morgen. Klar, immer noch wird „Corona“ als DAS Argument genannt, warum es dem FC finanziell so beschissen geht. Das stimmt ja auch zu einem gewissen Teil. Dass das Virus bei uns allerdings so große Auswirkungen hatte, hat natürlich auch viel mit der sonstigen Kapitalvernichtung ehemaliger Verantwortlicher zu tun. Damit musste Keller klarkommen, der Sparkurs von ihm war ja auch nicht verkehrt, wahrscheinlich sogar ohne vernünftige Alternative. Was falsch war, war das blinde Verlassen auf Baumgart, der wohl jeden Spieler durch „Hand-auflegen“ besser machen sollte. Darauf, so schien es, war auch die Kaderpolitik Kellers ausgerichtet, der in diesem Sommer sogar darauf verzichtete, Skhiri zumindest ansatzweise zu ersetzen.

 

Spieler die Keller geholt hat, sind bis dato selten wirkliche Verstärkungen, wenn sicher auch nicht jeder Transfer schlecht war. Allerdings waren einige Transfers so gar nicht zu verstehen, siehe Adamyan, der schon von der Vertragslänge, Preis und vom Alter nicht passte. Dass dieser Spieler bisher ein Riesenflop war, kommt hinzu. Auch andere Namen wie Tigges oder Alidou könnte man nennen. Kurzum, all das war bisher doch sehr schwach, was Keller an Taten vollbracht hat.

 

Diese Taten stehen halt im Gegensatz zu den schönen Worten und Gedankenplänen des Geschäftsführers, daher ist Kritik mehr als angebracht. Aber eben sachlich geäußert.

 

Keller raus? Noch nicht!

 

Ob ich jetzt deshalb seine Ablösung fordere? Nein, das tue ich nicht, denn auch ich hoffe immer noch, dass sich hinter alldem noch etwas verbirgt, was dem FC auf Dauer helfen wird. Viele FC-Bekannte, Freunde und Kollegen sagen unabhängig voneinander, dass dieser Mann mit seinen Ansätzen eine große Chance für den Verein ist. Es sind Leute, auf deren Urteil ich Wert lege, die sich auskennen und keine Wichtigtuer sind. Daher wäre eine Ablösung, die jetzt zunächst (auch mir) total logisch erscheint, jetzt wohl unpassend. Allerdings darf sich Keller in meinen Augen keine weiteren Fehler mehr leisten. Denn alles bisherige, was da an Bilanzen zu sehen ist, reicht locker für eine Kündigung. Und diese wäre beim nächsten Fall wirklich sofort auszusprechen! Aber das entscheide ja nicht ich. 

Ein Vorstand wie eine outgesourcte Consulting-Abteilung

 

Doch nicht Keller allein ist zu kritisieren, der ebenfalls erwähnte Vorstand kann mittlerweile nur als eine Farce bezeichnet werden. Die Truppe um Werner Wolf wirkt auch nach mehreren Jahren nicht wie ein Teil des Geißbockheims, sondern wie eine outgesourcte Consulting-Abteilung. Fast alles, was aus diesem Gremium kommt, klingt vorgestanzt und vom Blatt abgelesen. Ein wenig seelenlos und ohne FC-Herz, eben rein technokratisch. Da hilft es auch nicht, vor den Kameras die Schals rauszurücken und einen auf volksnah zu machen. Die Distanz bleibt, es wirkt schlicht nicht echt. Wobei ich sagen muss, dass die drei Einzelpersonen – wenn man sie wie ich näher kennenlernen konnte -  durchaus echte FC-Fans sind, die sich natürlich auch Sorgen und ihre Gedanken machen. Aber als Gremium kommt das überhaupt nicht rüber. Sie wirken nicht angekommen, verschanzen sich in ihrem Vorstands-Elfenbeinturm, den sie nur selten verlassen um dann im Scheinwerferlicht auf Meetings, Stammtischen oder Medienterminen ihr Vorstandlächeln anzuknipsen. Das alles wirkt roboterhaft, angepasst und nicht authentisch.

 

Dazu gesellt sich eine gewisse Bräsigkeit plus mangelndem Gespür, was ihren Job angeht. Es wirkt so, dass man nach irgendwelchen vorgefertigten Unternehmensberater-Prozessen diverse verantwortliche Personalien aussucht, diese dann einstellt, um sie dann in aller Ruhe machen zu lassen. „Der Mitarbeiter X hat eine 10 von 10 im Einstellungsverfahren erhalten, also ist er auch perfekt.“ Nach diesem Urteil wird eingestellt und so wäre ein fragwürdiger Mitarbeiter der BILD-Zeitung fast Mediendirektor geworden. Hätte man damals halbwegs seinen gesunden Menschenverstand benutzt, sich auf sein Bauchgefühl verlassen, dann hätte dieser Mensch nicht einmal ein erstes Vorstellungsgespräch bekommen dürfen. Aber man verlässt sich auf Beraterunternehmen, denen kann  man ja hinterher die Verantwortung in die Schuhe schieben, wenn´s schief geht.

 

Der Vorstand hat dieses Gespür auch im Fall Potocnic komplett vermissen lassen. Weil ein Christian Keller eben komplett freie Hand hatte, man verlässt sich da viel zu blind drauf. Aber in diesem wichtigen, den Verein in seiner Existenz gefährdenden Fall, hätte der Vorstand mit Argusaugen mit hinsehen müssen, gerade wenn ein Anwalt mit im Gremium sitzt. Entweder ist das gar nicht geschehen oder eben komplett fehlgedeutet worden. Mal ehrlich, WAS KÖNNT IHR EIGENTLICH?

Ein Verein, in dem wirklich niemand etwas falsch macht ...

und die bittere Wahrheit

 

Ihr merkt schon, ich bin mit der Gesamtsituation „unzufrieden“ und es ist schon wieder viel länger geworden als ich das eigentlich wollte. So viel zum Thema, „das tangiert mich nicht mehr so wie früher". Egal …, was ich eigentlich sagen will: Seit über 30 Jahren wird in diesem Verein komischerweise NICHTS, aber auch gar nichts falsch gemacht. Auch die gestrige PK hat das bestätigt, dass man sich immer als Opfer der Umstände sieht. Es sind immer, wirklich immer die anderen Schuld: Oliver Held und Uwe Kemmling, die Schiedsrichter, die UEFA, die FIFA, die Medien, das Umfeld, die Fans, und und und. Wann zum Geier, stellt sich mal jemand vom FC in die vordere Reihe und sagt: „Wir haben es verbockt, wir haben die Lage falsch eingeschätzt und müssen nun die Konsequenzen tragen.“ Aber es ist wie immer beim 1. FC Köln, dem Verein der seit über 30 Jahren zwar nie was falsch macht und nur durch bösartige Einflüsse von außen sechsmal abgestiegen ist und nun vor seinem siebtem, natürlich unverschuldeten Abstieg steht!

 

Erstmal runterkommen …

 

Die Wahrheit ist natürlich eine andere: Dieser Verein wird auf die lange Strecke seit über 30 Jahren einfach nicht durchgehend gut geführt. Das ist letztlich der Grund, warum dieser riesige Verein mit Potenzial, von dem andere nur träumen können, ein solcher Chaosclub geworden ist. Mein Standard-Spruch dazu lautet seit Jahren wie folgt: Vereinspolitik zeigt sich immer, IMMER irgendwann auf dem Rasen! Eine Zeitlang kann das durch einzelne Lichtblicke, wie Baumgart, Poldi, Hector, Modeste, Stöger übertüncht werden. Aber eben nicht durchgängig, eine Phase wie z.B. der kreuzlangweilige FC Augsburg hatten wir seit Wiederaufstig 1 noch nicht. Augsburg hält sich mit deutlich weniger Gesamtpotenzial, was Strahlkraft, Fanpower und Umfeld angeht, seit über 12 Jahren in der Erstklassigkeit. Das müssen wir erstmal wieder hinkriegen, scheitern aber trotz manchmal guter Ansätze ständig an diesem Vorhaben. Es sind halt die schwache Leistungen im „Kopf“ der jeweils aktuellen Vereinsführungen – egal welche Personalien damit zu tun hatten - die sich irgendwann auch in den Beinen der Spieler auswirken. Es sind die jeweiligen Köpfe, die „führen“ … leider allzu oft ins Verderben.

Was macht Zuversicht?

 

Da ist durchaus einiges zu nennen: Unsere Jugendarbeit scheint ja wirklich gut zu sein, erst kürzlich haben wir dem deutschen Vereinsfußball (und leider auch LEV) ein Jahrhunderttalent geschenkt. Weitere talentierte Fußballer scharren im Geißbockstall schon mit den Hufen. Es muss uns endlich mal gelingen, diese in die erste Mannschaft zu überführen, dann kann da schon etwas daraus entwachsen. Vielleicht kein neuer Florian Wirtz, aber immerhin gute Spieler für die erste Elf, die auch Verkaufswerte erzielen oder gar beim Verein bleiben. Weiterhin haben wir immer noch eine tolle Fanbasis, die diesem Verein auch sicher noch nach dem gerade erlebten Desaster die Treue halten wird.

 

Grundsätzlich hat dieser Verein genügend PS, es muss nur endlich mal gelingen, diese langfristig auf die Straße zu bringen.

 

Wir werden diese Sache überstehen, vielleicht steigen wir ab, wobei das für mich noch lange nicht gesetzt ist (wer nicht kämpft, hat schon verloren, steht zwar in jedem Kalender, stimmt aber). Aber wir haben schon so viel überstanden, wir werden auch das alles überstehen. Für manche wäre das ein Wunder, wahrscheinlich ein Weihnachtswunder. Wann, wenn nicht jetzt soll man an Wunder glauben?

 

So, ich bin für heute fertig und kann mich nicht länger vor den Vorarbeiten zum Fest drücken. Ihr könnte jetzt gerne auf mich einprügeln, was ich hier für nen Mist zusammengeschrieben habe, … aber das musste jetzt mal raus und Weihnachten kann kommen.

 

 

Allen ein frohes Fest und nichts für ungut

 

Euer Ralf Friedrichs

(Samstag, 23.12.2023)

 

Achtung: Dieser Text bietet keine allseligmachende Lösungen an, er ist nur eine private Meinung, eine Art Standortbestimmung aus der Sicht eines einzelnen Fans und Mitglied des 1. FC Köln. Nicht mehr und nicht weniger.