"Zur Laterne" - Das Ende einer Legende

Es war Anfang der 70er Jahre, als ich als Kirmesplatzbesucher-Knirps das erste Mal die Gaststätte „Zur Laterne“ in Hürth-Efferen wahrgenommen habe. Die Kneipe lag schräg gegenüber vom großen Kirmesplatz, dort wo heute der Burgpark samt Parkplatz angelegt ist. Ehrlich gesagt wirkte der Ort nicht sonderlich vertrauenserweckend, viele Jugendliche hielten sich vor der Tür auf, sie machten einen aggressiv-alkoholisierten Eindruck und so etwas ließ einem siebenjährigen eher die Knie schlottern. Nur wenige Jahre später, als ich etwa 14 oder 15 Lenze zählte, hatte sich der doch etwas abschreckende Gesamteindruck noch nicht geändert. „Da is jede Woch´ Schläjerei“ raunten manche Gleichaltrige aus dem Ort. Ob das stimmte? Keine Ahnung. Jedenfalls mied ich die Gaststätte, vom Alter her war das sowieso noch lange nicht passend.

 

Es wird dann wohl Karneval 1983 oder 1984 gewesen sein, als ich erstmals die „Laterne“ von innen begutachten konnte. Sonderlich beeindruckt hat sie mich als 19-20jährigen vermutlich nicht, denn es blieb zunächst bei einem einmaligen Auftritt. Zu dieser Zeit war ich sowieso eher noch auf dem „Disco-Trip“. Die Rollschuhbahn in Frechen, das „Subway“ an der Aachener Strasse, das „New York“ in Köln-Deutz oder das „Up“ (später Neuschwanstein) übten eine deutlich höhere Anziehungskraft auf mich aus als so eine "alte Kneipe" (alt war sie schon damals) in Hürth-Efferen. 

 

Und so vergingen die 80er, ohne dass ich ein weiteres Mal einen Fuß in die „Laterne“ setzte, obwohl sie da bereits längst als „Kult“ galt und wohl auch schon war. Aber mein persönlicher Lebensweg sah noch ein wenig anders aus, denn längst hatte die Stadt meiner Träume – Köln – mich in den Bann gezogen. Dort lebte ich mittlerweile, hatte hier nun meine Freunde und meine zahlreichen Ausgehstätten.  Nach einer privaten Neuausrichtung und einem damit verbundenen Umzug  zurück nach Hürth war es schließlich um das Jahr 1992 herum, als ich erstmals als Endzwanziger wieder die „Laterne“ aufsuchte. 

 

Und siehe da, es gefiel mir nun dort recht gut. „Hier kann man ja wirklich nett ausgehen, ist mal eine Alternative zu Köln“ dachte ich. Dennoch waren meine Besuche dort eher selten, denn in Köln gefiel es mir als nun bekennender und genießender Single immer noch ein wenig besser. So verbrachte ich viel Zeit im „Kwartier Lateng“, insbesondere „Gilberts Pinte“ wurde quasi meine ganz persönliche Hofburg. Aber dabei blieb es nicht … die folgenden Single-Jahre genoss ich dann komplett in der Kölner Szene und ließ wenig aus. Kwartier Lateng, Südstadt, Ringe, Ehrenstrasse und und und …

 

Langer Anlauf bis zur "Stammkneipe"

 

Doch mit etwa 31, 32 Jahren, also Mitte der 90er Jahre, wurde mir das ständige Pilgern in die Kölner Szene einerseits zu inhaltsleer und andererseits auch zu teuer. Von ca. 1995 an erhöhte ich meine Besuchsfrequenz  in der „Laterne“ deutlich. Mittlerweile hatte ich erkannt, dass es dort keineswegs groß anders war als in Gilberts Pinte, Chlodwigeck oder Waschsalon. Klar, jeder dieser Kölner Läden hatte etwas ganz Eigenes, aber dies hatte die „Laterne“ eben auch … und so geschah es, dass die „Laterne“ etwa ab 1996 mehr und mehr meine „Stammkneipe“ wurde.

 

Im Oktober 1996 zog ich erneut privat um, es hatte sich so ergeben, dass ich nun nur noch zwei Häuser von der „Laterne“ entfernt wohnte. Was soll ich sagen? Es begannen vier wundervolle Jahre, in denen ich – wenn man ehrlich ist – mehr in der Kneipe wohnte und nach nebenan nur zum Schlafen ging. Gut, das ist ein wenig übertrieben, … aber eben nur ein wenig.

 

Vier Jahre hört sich im Nachgang nach nicht viel an, aber diese waren so intensiv und voller unvergessener Erlebnisse, das alles was zuvor in Köln in mehreren Gaststätten passiert war, noch einmal getoppt wurde. Es gab ganz besondere Laternentage, das fing mit dem Montag an, der ganz klar der „Laterne“ gehörte. Das muss man sich einmal vorstellen, eine Kneipe in der Vorstadt, die an einem Montag rammelvoll ist … und zwar immer, jeden Montag, ohne dass eine besondere Veranstaltung angekündigt wurde. Mir wurde dies natürlich erklärt, scheinbar hatte es früher bereits spezielle Montagveranstaltungen gegeben und aus dieser Zeit sei dies eben übrig geblieben. Es hatte sich, wie man so schön sagt, eben eingebürgert. Montag war eben Party, Party, Party!

 

Einfach Party, ... ohne Ankündigung, das ergab sich

 

Auch die Freitage waren ähnlich gelagert, es war einfach eine tolle Stimmung, die übrigens sehr viel mit der Musik zu tun hatte. Damals legte „DJ Schmiddi“ auf, der einfach ein perfektes Händchen hat und immer wieder die alterstechnisch gemischte Besucherschar mit wechselnden Genres gut im Griff hatte.

 

Es gab seinerzeit eine gewisse Trennung, im Thekenbereich tummelten sich eher die „etwas Älteren“, zu denen ich mittlerweile auch gehörte. Also ab 30 aufwärts bis etwa 50 Lenze. Vom Eingang gesehen rechts war der „Jugendlichenbereich“ … hier lief es teilweise etwas anders ab, als an der Theke, denn manches Mal gab es da Stress, weil einige wenige ausfallend wurden oder kleinere Scharmützel drohten. Doch ehe es so weit war, hatte Elli, „Miss Elli“ genannt, die Situation durch ein paar klare Worte in den Griff bekommen. Elli war die damalige Pächterin, Wirtin und Chefin des Ladens, vor ihr hatten selbst die Halbstarken Respekt. Dennoch, so manches Mal musste Elli auch das entfernen, was mancher Jüngling nicht mehr bei sich halten konnte. Ein Umstand, der sich später noch kneipenverändernd auswirken sollte.

 

Doch grundsätzlich blieben die Partys das absolute Highlight. Und es gab ständig neue Anlässe für Mottopartys. Aus meiner ganz persönlichen Sicht waren die Jahre von 1995 bis etwa 1998 der Höhepunkt. 

Ruhige Abende, auch unvergessen

 

Nicht vergessen werde ich aber auch die gar nicht so seltenen ruhigen Abende in der „Laterne“. Das Leben eines "Singles" besteht nämlich nicht nur aus Partys, es gibt auch die Dienstagabende, die Donnerstagabende an denen es draußen regnet und kalt ist, an denen einem die Decke auf den Kopf fällt und man irgendwann den Fernseher ausschaltet und nach nebenan in die „Laterne“ geht. Dann sitzt du da völlig alleine an der Theke, liest deine Express vom folgenden Tage, die der Verkäufer eben gebracht hat und süffelst an deinem Kölsch herum. Irgendwann kommt dann doch ein weiterer Gast, man kommt ins Gespräch und trinkt ein paar Kölsch zusammen. Oder du redest mit Elli oder der jeweiligen Bedienung über belangloses Zeug. Egal, Hauptsache nicht alleine zuhause … und wenn du dann Richtung Heimat gehst, hast du wenigstens das gute Gefühl gehabt, mit Menschen gesprochen zu haben. Ja, auch das war in der "Laterne" wichtig und auch das bleibt unvergessen.

 

Jede Kneipe, auch die „Laterne“, ist schließlich eine Begegnungsstätte. Deswegen ist man ja letztlich auch da, um eben Gleichgesinnte zu treffen, zu quatschen,  zu flirten und zu feiern. Dies gilt übrigens auch für Verantwortliche des 1. FC Köln, der nur 1,9 km Fußweg entfernt sein Geißbockheim hat, somit dürfte die „Laterne“ einer der nahe gelegensten Kneipen aus Sicht der dort beruflich Tätigen sein.

 

Anekdötchen mit Peter Neururer

 

An der Theke lernte ich seinerzeit den damals aktuellen Pressesprecher des FC kennen und wir freundeten uns an. Es dauerte nicht lange, genau gesagt im August 1997, da war neben dem Pressesprecher auch der damalige Cheftrainer Peter Neururer vor Ort und wir tranken einen ganzen lieben langen Abend lang kräftig Kölsch zusammen. Das sich Jahre später unsere Wege durch meine später aufgenommene Moderatorenarbeit im Fußballbusiness noch oft kreuzen sollten, war damals natürlich noch nicht zu erahnen. Wie auch immer, es wurde ein sehr launiges Treffen. Unvergessen die Situation, als plötzlich das Telefon in der Kneipe gut hörbar klingelte und daraufhin ein Witzbold aus dem Hintergrund rief: „Peter, … dat is für disch, Inter Mailand is draan. Die wollen disch“ …

 

„Ach halt´s Maul“ winkte Neururer lächelnd ab, er kannte solche Sprüche.

 

Aber nicht nur die Prominenz traf man dort, ein Kneipenkumpel entpuppte sich als ehemaliger Mitspieler beim BC Efferen. Wir hatten uns über ein Vierteljahrhundert nicht mehr gesehen und stellten im Kneipengespräch eher zufällig fest, dass wir eine gemeinsame Vergangenheit hatten.

 

In diesen Zeitraum fiel auch das Kennenlernen meiner heutigen Frau, die ich allerdings nicht in der „Laterne“, sondern auf einer Hochzeit kennenlernte. Doch einmal in die Kneipe meines Vertrauens eingeführt, nahm sie das Laternenfieber direkt mit auf und fortan zogen wir zu zweit dort ein und machten die Kneipe unsicher. Wir nahmen noch viele Montagsfeten und Partys mit und genossen das Leben zu zweit. Das hätte gerne auch noch eine Weile so weitergehen können.

 

Veränderung im Leben, Veränderung rund um die "Laterne"

 

Doch wie bei vielen Paaren, so verändert eine Schwangerschaft und erst recht die folgende Geburt eines winzig kleinen Menschen so gut wie alles im Leben. Auch wenn wir nach wie vor die „Laterne“ besuchten, es hatte sich etwas ganz elementares geändert und das war auch okay so. Im Jahr 2000, das zweite Kind hatte sich angemeldet, zogen wir dann für drei Jahre komplett weg aus der Ecke hier und nahmen damit auch vorerst Abschied von der „Laterne“. Wobei es immer noch zu vereinzelten Besuchen kam.

 

Von 2003 an wohnten wir wieder etwas näher dran und so hatten wir öfter die Möglichkeit eines Besuchs. Doch auch die „Laterne“ hatte sich verändert. Elli war es einfach leid gewesen, die angesprochenen Exzesse mancher Jugendlichen reichten ihr und so veränderte sie den Charakter der Kneipe mehr und mehr Richtung Restaurant.  Partys wurden kaum noch gefeiert, denn im Thekenbereich war es nun auch heller geworden. Aus der Pinte war mit der Zeit mehr und mehr ein Restaurant geworden. Elli erzählte, das dies auch absolut gewollt war und man konnte es auch nachvollziehen. 

 

Dennoch war für Elli irgendwann doch Schluss, wann genau weiß ich nicht mehr, ungefähr 2012 schätze ich. Eine Zeit lang war die Kneipe geschlossen und niemand wusste wie es weitergeht. Aber als im April 2013 Hossein die „Laterne“ mit einer Einweihungsparty neu eröffnete, da waren wir wieder voll und ganz dabei. Es war eine Feier wie in alten Zeiten, die wir auch in vollen Zügen genossen. Fortan waren wir wieder regelmäßiger vor Ort, schauten den FC, gingen Essen, besuchten den nun noch schöner gewordenen Biergarten (der einen eigenen Artikeltext wert wäre). 


Weiterhin veröffentliche ich dort 2014 im Vorfeld zur Fußball-Weltmeisterschaft gemeinsam mit FC-Legende Wolfgang Weber mein Buch über die deutsche Fußballnationalmannschaft und hielt sogar im Sommer 2016 einen offiziellen „FC-Stammtisch Talk“ mit Falko Götz, Markus Höhner und Thomas Wagner als Sommer-Special dort ab.

23.3.19 ... die erste von zwei "Abrisspartys"
23.3.19 ... die erste von zwei "Abrisspartys"

Unsere Besuche waren – wenn man von unseren regelmäßigen Karnevalsbesuchen absieht - nicht mehr Party-orientiert, aber dennoch hätte es noch ewig so weitergehen können in dieser nun etwa 100 Jahre jungen/alten Kneipen-Legende. Aber leider soll das Gebäude nach der letzten Feier am heutigen 30.3.2019 abgerissen werden, weil der neue Inhaber dort scheinbar Eigentumswohnungen bauen möchte.

 

Nach dem letzten Stand (hier) wird das evtl. vorerst verhindert, aber dennoch scheint der Tod der „Laterne“ beschlossen zu sein.

 

Am 23.3.2019 wurde die erste von zwei „Abrisspartys“ gefeiert. Schon jetzt bezeichne ich die erste dieser Partys als legendär. „DJ Schmiddi“ gab alles, die dort versammelte Gemeinschaft auch … es waren viele bekannte Gesichter aus früheren Jahren da. Manche hingen bereits ihr Kinderfoto ab, diese hingen dort als Kneipendeko komplett  über alle Wände verteilt. Die ältesten Besucher dürften bereits in den 70er Jahren dort ihr Unwesen getrieben haben, dazu natürlich meine Generation, die heute Ü50jährigen … sie alle feierten bis in den Morgengrauen.

 

Heute, am 30.3.2019, nun der finale Abend, der mich bereits jetzt in den Bann zieht. Ein letztes Mal „Who needs enemys with a friend like you“ von Montana Sextett in der „Laterne“ hören. Es wird ein Riesenspaß, es wird aber auch traurig … aber wir bleiben bis zum Untergang. Wenn schon Titanic, dann erste Klasse! Also, die Musik spielt bis zum Schluss … und am Ende geht die „Laterne“ unter!

 

Es war mir eine Ehre!

 


Update (26.4.2021): Nachdem nun über zwei Jahre ins Land gegangen sind, ein kleines Update. Wenige Tage nach dem letzten und finalen Abend konnte ich mir noch ein Souvenir der „Laterne“ sichern. Im Internet hatte ich gesehen, dass man dort das Interieur verschenkte. Also fuhr ich hin, musste aber enttäuscht feststellen, dass fast alles, was nicht niet- und nagelfest war, bereits von anderen Laternenfans mitgenommen worden war. Es war ein trauriger Anblick, wenige Tage nach der letzten großen Fete war bereits alles abgerissen. Immerhin, ein allerletztes Brauhaus-Spiegelbild in einer hinteren Ecke war wohl übersehen worden. Das sicherte ich mir, heute hängt es meinem Party-Atelier und erinnert an glorreiche Zeiten. 

 

Ich machte noch ein paar letzte Foto- und Videoaufnahmen der traurigen Szenerie und verließ zum letzten Mal den Innenraum der Kneipe. 

 

Doch bis Ende April 2021 erfolgte noch kein Abriss, im Stadt-Anzeiger erschien dann am 25.4.2021 ein Artikel, der ein wenig Hoffnung machte. Diesen kann man HIER finden.

Ob allerdings tatsächlich irgendwann wieder eine neue Gaststätte dort eröffnet, steht noch in den Sternen. Wie man hört, wollen die Anwohner den Klageweg gehen, um das zu verhindern. Man wird abwarten müssen. So oder so, die Geschichte der alten „Laterne“ ist auserzählt und ob es eine Fortsetzung im neuen Gewand geben wird, das ist nach wie vor völlig offen. 

Video 1 (oben) - Letzter "Laterne" Abend am 30.3.2019

Video 2 (unten) - Vorletzte Party am 23.3.2019