Buchkritik - "60 Jahre Rolling Stones"

 

Das Buch von Frank Steffan – „60 Jahre Rolling Stones – Betrachtungen einer unglaublichen Karriere“ – habe ich in einem Rutsch durchgelesen. Das war von meinem Zeitmanagement her so nicht geplant und so war ich wirklich überrascht, dass ich alles andere stehen und liegen gelassen hatte. Das 160 Seiten umfassende Buch, welches ohne jegliche Bilder auskommt, wurde von mir sozusagen „durchgesuchtet“. Warum mich das überrascht? Ganz einfach, ich bin nie ein echter Fan der Rolling Stones gewesen. Ihre Musik hat mich zwar keineswegs kalt gelassen, das war schon okay, aber sie haben mich nie so gepackt, als das ich mir eine Konzertkarte oder ein Album zugelegt hätte.

 

In meiner musikalischen Frühentwicklung in den frühen 70er Jahren bis Ende dieses faszinierenden Jahrzehnts hatte ich eben andere Prioritäten. Angefangen bei leichterer Ware a´la Abba, Smokie und Status Quo, … als es dann etwas erwachsener wurde, kamen mit Pink Floyd, Alan Parsons Project, Supertramp und ganz speziell Kraftwerk ganz andere Einflüsse auf mich zu. Da blieb am Ende für die Stones wenig Platz, auch wenn man natürlich mitbekam, was die so trieben. Denn mit ihren Hits im Radio und im Panorama-Teil der Zeitungen waren sie ja stets präsent.

 

"Stones waren immer präsent - ein Leben lang"

 

Zurück zum Buch, das mich die Story so gereizt hat, lag nicht nur an der schmissigen Schreibe von Frank Steffan. Dieser ist als erster Chefredakteur der deutschen Ausgabe des "Rolling Stone Magazins" naturgemäß ein echter Kenner der Musikszene an sich und speziell eben der Rolling Stones. Es lag auch daran, dass die Stones sozusagen Lebensbegleiter sind. Mit ihren nahezu unfassbaren 60 Jahren, die sie nun als Band zusammen sind (!), sind sie sogar noch mal gut 2,5 Jahre länger im Musik-Business aktiv, als ich auf diesem Planeten herumwandele. Wenn also Steffan nun die Geschichte der Stones erzählt, so trifft sich die Entwicklung der Band immer wieder mit der eigenen Biographie … und auch wenn sie nicht meine Lieblingskapelle waren, so kennt man eben viele der Meilensteine, sei es in Form von so manchen Hits oder der gerade aktuellen Tournee. Da sind Namen wie „Voodoo Lounge Tour“ oder „Bridges to Babylon Tour“ und wie sie alle hießen eben keine unbekannten Begriffe. Man hat es am Rande immer mitbekommen, ob man wollte oder nicht.

 

Einmal angefangen packt einen das Buch sofort, kein Wunder, denn die Bedeutung der Stones war insbesondere in den 60-Anfangsjahren eine geradezu bahnbrechende. Als Gegenentwurf zu den braver rüberkommenden Beatles waren sie die Bad Boys der Szene, ein Image, welches in der Form ja nie so gestimmt hat, welches aber zu Beginn so verkauft wurde. Jagger & Co. wurden zum Bürgerschreck für das Establishment, dabei wollten die Jungs eigentlich nur gute Blues-Musik machen. All das erklärt Steffan gewohnt kenntnisreich und souverän, aber dennoch auch sehr unterhaltsam.

 

Keith Richards und seine Lesegewohnheiten

 

Ich musste schon herzlich lachen, als Steffan eine Geschichte auspackte, als Keith Richards eines Abends auf einer Tournee nicht Gitarre spielen konnte.  Nach offiziellem (und wirklich ernstgemeintem)  Stones-Statement war Richards „beim Klettern nach einem Buch in seiner Bibliothek von der Leiter gestürzt“, was bei den Stones-Fans für erschrockene Heiterkeit sorgte. Sie hätten es wohl eher normal gefunden, wenn er angetrunken vom Barhocker gefallen wäre … und überhaupt, ausgerechnet dem für seine Eskapaden bekannten Richards wurde gar kein Buch-Besitz zugetraut und schon gar nicht eine komplette Bibliothek. Doch nach einer solchen Schmunzel-Anekdote geht es seriös erklärend weiter und so vergehen die Stunden (und im Buch die Jahrzehnte) wie im Flug. Am Ende ist man zwar kein ausgewiesener Stones-Experte, aber immerhin reicht das nun neue Wissen, um mitreden zu können.

 

Ob das Buch für die wahren Stones-Kenner nun viel neues bereithält, kann ich nicht mit Gewissheit sagen. Aber es ist wahrscheinlich, dass der Autor mit seinen Einschätzungen, wie das künstlerische Gesamtwerk der Stones einzuordnen ist, sicher neuerliche Diskussionen schürt. Auch seine umfassende Charakterisierung der beteiligten Personen, die als Ex oder noch aktive Bandmitglieder den erstaunlichen Weg der Rock-Formation mitgestaltet haben, dürfte für die wahren Fans sehr interessant und debattenfördernd sein. Diejenigen, die wie ich die Geschichte der Stones nicht mit der Muttermilch aufgesaugt haben, sehen einen Mick Jagger oder Keith Richards und auch alle anderen, danach sicher mit etwas anderen Augen.

 

Das Buch ist perfekt geeignet für ...

 

Damit komme ich zum Schlussfazit: Ich denke „60 Jahre Rolling Stones – Betrachtungen einer unglaublichen Karriere“ ist geradezu das perfekte Buch für diejenigen, die ähnlich wie ich, diese unermüdlichen und ewig jungen Briten stets aus der etwas entfernteren Perspektive betrachtet haben. Perfekt deshalb, weil es süffig geschrieben ist und die Geschichte der Band würdig, aufrichtig und ohne zu viel Nebenaspekte in optimaler Länge zusammenfasst. Steffan macht die Mitglieder der Gruppe nicht zu Übermenschen, versucht sich aber an einer Einschätzung, die ihrer Klasse und ihrer Bedeutung ohne Heldenverehrung gerecht wird.

 

Aus meiner Sicht ist das insgesamt sehr gut gelungen, daher glatte Empfehlung!

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