Eine Reise in die Zeit der Rollschuhdisco

Zurück in die Zukunft mal anders - Roller-Skater Comeback nach fast vier Jahrzehnten

 

Ein Rollschuhfahrer und zwei Zeitebenen - Januar 1984 und Februar 2024
Ein Rollschuhfahrer und zwei Zeitebenen - Januar 1984 und Februar 2024

Als stolzes Mitglied des erlauchten Jahrgangs '64 - ja, ich gehöre zu den "alten Säcken" - erlebt man hin und wieder Dinge, die einem ein gewisses Feeling vermitteln, welches man schon fast vergessen hatte. So war es im Jahr 2022 für mich das erste Mal seit genau 20 Jahren, dass ich wieder auf Skiern stand. Es fühlte sich vertraut an, aber gleichzeitig auch brandneu, denn in den vielen Jahren hatte sich meine körperliche Fitness und mein Gesamtzustand doch erheblich verändert. Glücklicherweise ist alles gut gegangen, weil ich früher recht gut auf Skiern war und zum Glück das Skifahren, das ich 1975 gelernt habe und bis 2002 regelmäßig betrieben habe, nicht komplett verlernt hatte. Es hat wirklich riesigen Spaß gemacht, und das alte Gefühl für die "Bretter, die die Welt bedeuten", kam schnell zurück.

 

Dennoch war es anders als in jungen Jahren. Man ist vorsichtiger geworden und lässt die waghalsigen Stunts, die man in seinen 20ern und frühen 30er Lebensjahren so enthusiastisch zelebriert hat, konsequent weg. Wen soll man damit heutzutage noch beeindrucken? Und war es überhaupt jemals notwendig? Der jugendliche Leichtsinn ist nun mal ebenso verschwunden wie das volle Haar oder das Idealgewicht.

Inspiriert von diesem Beispiel wagte ich kürzlich einen ähnlichen Feldversuch, um die Zeit zumindest für einen Moment zurückzudrehen oder zumindest die Illusion davon zu erzeugen. Wie kam es dazu? Nun ja, ich hatte auf Social Media mitbekommen, dass es in Köln eine Rollschuhdisco namens "Rollersclub" gibt, die sich selbst als Roller Skate Disco bezeichnet. Eigentlich nichts Besonderes, sollte man meinen. Aber seitdem die Roller Disco namens "Joki's Rollschuhbahn" in Frechen bei Köln Ende der 80er Jahre ihre Tore für immer geschlossen hat, gab es in dieser Region nichts Vergleichbares mehr. Laut Betreiber gibt es generell keine andere dauerhafte Rollschuhdisco in ganz Deutschland, wobei ich diese Aussage nicht genau verifizieren kann.

Wie auch immer, ich gebe zu, ich war neugierig oder besser gesagt, ich war "geflasht", wie man heutzutage gerne sagt. Obwohl die 80er Jahre in verschiedenen Retrowellen schon so einige Comebacks in Sachen Mode, Musik und Fortsetzungen von alten Filmen (Ghostbusters, Indiana Jones usw.) mit gealterten Originalschauspielern erlebt haben ... eine Rückkehr einer echten Rollschuhdisco im klassischen Style war im Raum Köln noch nicht dabei. Auch wenn viele Enthusiasten aus dieser Zeit ihrem Hobby treu geblieben sind und sich privat organisiert haben, um in verschiedenen Turnhallen ihre eigene Disco auf Rollschuhen zu veranstalten.

 

Nun ja, ich muss zugeben, dass ich einst auch zu diesen Enthusiasten gehörte, als alles noch nicht als "Vintage" galt, sondern als topmodern. Wie so oft schwappte die Rollerdisco-Welle aus den USA zu uns herüber, besonders Ende der 70er Jahre, und wurde durch den Hollywood-Film "Roller Boogie" von 1979 mit Linda Blair noch weiter angeheizt. Der Film verstärkte den Trend, weniger wegen seiner leicht naiv-trivialen Handlung (die man getrost ignorieren konnte), sondern eher durch den coolen Soundtrack und die beeindruckenden Lauf- und Tanzszenen der erstklassigen Skater.

 

1982 - Wie alles begann

 

Wie dem auch sei, es muss irgendwann zwischen Ende 1981 und Anfang 1982 gewesen sein, als sich in Frechen bei Köln zum ersten Mal die Türen der brandneuen Rollschuhbahn öffneten. Das bekam man mit, auch wenn es damals noch kein Social Media gab ... irgendwie verbreitete sich die Nachricht in Köln, Hürth, Bergisch Gladbach und sogar bis nach Bonn und in die tiefste Eifel: "In Frechen bei Köln gibt es eine Rollschuhdisco, da müssen wir hin!"

 

Also, wer in den Jahren 1982 und davor zwischen 16 und 25 Jahre alt war, der musste zumindest mal für ein paar Momente auf Rollschuhen unterwegs gewesen sein. Man musste ja zumindest auf dem Laufenden sein und mitreden können, wenn es um den neuen "heißen Scheiß" in der Szene ging.

 

Auch in meiner alten Clique - wir waren alle um die 18 Jahre alt - war das natürlich ein riesiges Thema. Doch ich hatte Bedenken, denn ich hatte noch nie auf Rollschuhen gestanden und besaß auch keine. In den frühen 70ern waren diese Teile zum Umschnallen auf jedem Gehweg zu sehen. Fürchterliche Dinger ohne vernünftige Kugellager oder hochwertigen Rollen. Wenn man die auf dem Boden aufsetzte, knallte und schepperte das Ganze bedenklich und so richtig ins Rollen kam man damit gar nicht. Manche spielten damit am Nachmittag Rollhockey auf Schulhöfen, aber für mich war das nichts. Daher war ich zunächst nicht sehr motiviert, eine Rollschuhdisco zu besuchen.

Inmitten der "Überzeugungstäter". Die Überredungskünste meiner Kumpels wirkten (hier im Jan. 1984 auf Joki´s Rollschuhbahn).
Inmitten der "Überzeugungstäter". Die Überredungskünste meiner Kumpels wirkten (hier im Jan. 1984 auf Joki´s Rollschuhbahn).

Aber gegen die Überzeugungskünste meiner Freunde war ich machtlos. Sie redeten mit Engelszungen auf mich ein, diese „geile Sache“ doch mal auszuprobieren, und als das nicht funktionierte, drohten sie (natürlich scherzhaft) mit sanfter Gewalt ("Wir schnallen dir einfach die Dinger an und schieben dich auf die Bahn"). Also ließ ich mich schließlich überreden. Denn natürlich fand ich die Idee grundsätzlich faszinierend, das Problem war einfach, dass ich es nicht konnte und große Angst hatte, mich total zu blamieren. Das will ja niemand, besonders nicht als 18jähriger, der sich irgendwie und immer vor allen beweisen muss.

 

Das erste Mal wurde fast zum letzten Mal

 

Das erste Mal lief dann auch eher suboptimal ... die ganzen Roller-Profis - und davon schien es eine endlose Menge zu geben - fegten mit atemberaubender Geschwindigkeit um die Bahn, sodass man sich kaum in den Ring traute. Es fühlte es sich ungefähr so herausfordernd an, wie für einen Nichtschwimmer, der erstmals vom 10-Meter-Brett in das Becken zu springen hatte. Nach einer gefühlten Ewigkeit traute ich mich dann doch ins weite Oval, nachdem eine Horde von „Verrückten“, die einen "Zug" von 20-30 Leuten bildeten und dabei ihre coolen Moves zur Musik zelebrierten (was wirklich beeindruckend aussah, diese "Poser" 😄), endlich vorbeigezogen war. Ich stolperte so schnell wie möglich Richtung Innenbahn, wo viele der Anfänger zumeist ihren Platz hatten. 

"Abfetzen ..." Das Bild stammt von der wunderbaren Website https://rollersk8.de  ... unbedingt mal reinschauen.
"Abfetzen ..." Das Bild stammt von der wunderbaren Website https://rollersk8.de ... unbedingt mal reinschauen.

Nun ja, dort versuchte ich mein Bestes zu geben, was an diesem ersten Abend natürlich noch nicht so recht von Erfolg gekrönt war. Das Fazit des ersten Einsatzes: Obwohl mich das Ambiente direkt faszinierte, war das eigentliche Fahren so ernüchternd, dass ich die Sache fast schon wieder aufgeben wollte. Es schien so unerreichbar zu sein, irgendwann ein Niveau zu erreichen, das mir zumindest eine halbwegs sichere Fahrt ermöglichte.

 

Aber ganz ehrlich, das ganze Umfeld und das Ambiente hatte mich sogleich gefangen! Und da ich grundsätzlich davon überzeugt war, dass ich es schaffen könnte, überwand ich diese anfängliche Hürde, die immer auftaucht, wenn man etwas zum ersten Mal versucht und es zu Beginn einfach nicht klappen will. Hier half mir meine Erfahrung beim Skifahren, denn auch das lief zunächst holprig für mich und war von Stürzen und Schmerzen begleitet. Also beschlossen wir, diesen Abend zu wiederholen ... und blieben dran!

 

Es entwickelt sich

 

Nach einigen Abenden war ich zumindest in der Lage halbwegs mithalten zu können, was den Spaßfaktor erheblich beschleunigte. Und mit jedem Mal wurden die Fortschritte deutlicher, spätestens ab Herbst 1982 gab es dann freitags abends für mich nur noch die Rollschuhbahn in Frechen. Das wurde schnell zu einem festen Ritual für eine sehr lange Zeit. 

 

Gegen Ende des Jahres 1982 hätte mich wohl niemand mehr als Anfänger bezeichnet. Das regelmäßige Training zahlte sich aus, ich fuhr bereits problemlos rückwärts, konnte ein paar Pirouetten drehen und wurde im Allgemeinen immer mutiger und enterte mehr und mehr die Außenbahn. Im Verlauf des Jahres 1983 verfeinerte ich meinen Stil kontinuierlich und wagte mich auch an ein paar Sprünge, meist vorwärts abgesprungen mit einer 360 Grad Drehung. Eine doppelte Drehung war deutlich kniffliger, das schaffte ich erst 1984, ohne hinzufallen. Doch diese habe ich nur sehr selten versucht, denn ich spürte, dass da meine Leistungsgrenze war. 

... immer wieder Sprünge üben.
... immer wieder Sprünge üben.

Also hatte mich das Ganze komplett im Griff, ich war oftmals wie im Rausch und schlicht nicht mehr zu bremsen. Es ist schwer den Zustand zu beschreiben, den ich oft genießen konnte, wenn einfach ALLES passte. Das richtige Lied, ein wenig mehr Platz als üblich und ich schwebte in rasender Geschwindigkeit regelrecht „high“ über die Bahn, alles lief von selbst. Nochmal, das war mehr als eine Kombi aus Musik und Sport. Es war ein Trip … aber komplett drogenfrei! 

 

Manchmal lief ich sogar bis zur völligen Erschöpfung. Es kam einmal vor, dass ich danach zu Hause nicht mehr die Treppe hochkam, weil ich mich total verausgabt hatte - erst nach einer Stunde Pause auf dem unteren Treppenabsatz schaffte ich es. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass ich neben Freitag mittlerweile auch den Samstag, Sonntag und weitere Wochentage in meinen Plan integrierte. Was ich da tat, war also mittlerweile kein einfaches Hobby mehr, das war eher semi-professioneller Sport. Das zahlte sich auch aus, denn ich verlor Kilogramm um Kilogramm und landete im Sommer 1983 bei komplett austrainierten 67 kg bei einer Größe von 1,83 m. Nie wieder, nicht einmal während meiner späteren Halbmarathonzeiten Anfang der 2000er Jahre, war ich so fit wie zu meiner Rollschuhbahnzeit.

Links: In gelber Warnfarbe schnell rauf auf die Außenbahn und ab geht die wilde Fahrt. | Rechts: Üben von Dance-Moves im Innenring
Links: In gelber Warnfarbe schnell rauf auf die Außenbahn und ab geht die wilde Fahrt. | Rechts: Üben von Dance-Moves im Innenring

Was mich so faszinierte? Ich denke, es war die Kombination aus mehreren Komponenten, die mir unglaublich viel Spaß und Freude bereiteten: Da war die sportliche Seite und natürlich die musikalische. Es gab einfach damals wahnsinnig gute Songs, die sich wunderbar zum Rollschuhlaufen oder Tanzen auf Rollschuhen eigneten. Ein weiterer Pluspunkt waren die herausragenden DJs in Frechen, die viele Schallplatten, vor allem Maxi-Singles, aus dem Ausland besorgten. Sie hatten einfach ein gutes Gespür dafür, was sich zu einem Hit entwickeln könnte. Viele spätere Hits waren für uns Rollschuhläufer schon fast altbekannt, als sie in die Charts kamen. In Frechen liefen sie manchmal schon ein halbes Jahr vorher.

 

Die Gründe der Faszination

 

Nun, es war auch ein wenig der Zusammenhalt auf der Bahn, der das Ganze so besonders machte. Es entstanden lose Freundschaften und Bekanntschaften, die das Rollschuhfahren zu mehr als nur einer Freizeitaktivität machten. Es gab verschiedene Kreise auf der Bahn - der "Inner Circle" derjenigen, die von Anfang an dabei waren, reizte mich dabei weniger, obwohl wir uns freundschaftlich grüßten. Letztendlich waren sie lieber unter sich, und das war völlig in Ordnung. Diejenigen, die später hinzukamen, fühlten sich eher zu uns Dreien – zwei meiner Freunde aus der Anfängerzeit waren mit mir übrig geblieben - hingezogen, und wir unternahmen auch nach dem Rollschuhfahren noch sehr viel zusammen. 

 

Irgendwann organisierten wir sogar "Auswärtsfahrten", denn mittlerweile gab es über ganz Deutschland verteilt Rollschuhdiscos. Mit etwa 25-30 Personen machten wir uns in unseren sieben oder acht klapprigen gebrauchten "Anfänger-Autos" (die meisten Skater hatten gerade erst ihren Führerschein gemacht) auf den Weg nach Dortmund, Hamburg und vor allem nach Hanau.

Auf "Auswärtsfahrt" in Dortmund. Vorbereitungen auf den Einsatz auf Rollen
Auf "Auswärtsfahrt" in Dortmund. Vorbereitungen auf den Einsatz auf Rollen

Hanau bei Frankfurt galt ein wenig als das Mekka der Rollschuhszene, der ultimative "Place to be" für die meisten von uns Rollschuh-Enthusiasten. Das lag wohl auch daran, dass es sich dort ein wenig wie Klein-USA anfühlte. Die amerikanischen Truppen waren schließlich ganz in der Nähe stationiert. Die US Girls & Boys waren dadurch absolut in der Überzahl, und um sich zu verständigen, kam man tatsächlich hauptsächlich mit Englisch weiter. Es fühlte sich an, als sei man auf amerikanischem Boden gelandet, und das hatte einen gewissen Reiz.

 

Auswärtsfahrt nach Hanau

 

Die Musik dort war faszinierend, ein wenig soulig-funkiger als das, was wir in Frechen gewohnt waren. Und der Laufstil der meisten US-Amerikaner war irgendwie geschmeidiger, oder wie man damals sagte: "Die hatten einfach den Groove drauf". Als Gruppe aus Frechen wurden wir schnell bekannt und führten viele Unterhaltungen, während wir gemeinsam über die Rollschuhbahn glitten. Es hatte definitiv seinen Charme, Teil dieser aufregenden Szene zu sein. Wobei wir das damals nie als „Szene“ verstanden hatten, es war uns nur wichtig eine gute Zeit zu haben. Und Hanau hat es ja später schließlich sogar in den Roman geschafft (Bilder dieser Rollschuhbahn finden sich HIER).

 

Ein paar Worte zur wichtigen "Ausrüstung". Nachdem ich mir anfangs noch Rollschuhe im Verleih geliehen hatte, war es bald Zeit für eigenes und individuelles Equipment. Also ließ ich mir ein ganz persönliches "Paket" im legendären Roller Skates Shop "Blue Diamond" in der Kölner Ehrenstraße maßschneidern. Alles musste beachtet werden - die richtige Grundplatte, die passenden Rollen mit speziellem Kugellager. Das war also ein ausgeklügeltes Sportgerät und hatte nichts mehr mit normalen Rollschuhen zu tun. Der ganze Spaß war entsprechend teuer, und da ich noch in der Ausbildung war und bereits die vielen Eintritte gutes Geld kosteten, sparte ich meistens an den eigentlichen Schuhen, die lediglich auf die Grundplatte montiert wurden. Daher waren die Schuhe meist Turnschuh-Billigkram von Deichmann, während alles unterhalb des Schuhs edelstes Zeug war. Man könnte sagen, dass ich zwar einen Ferrari-Motor hatte, der von einer VW-Käfer-Karosserie getarnt wurde. Aber egal, wie es aussah - mit diesen Schuhen lief ich wie auf Schienen, sie waren buchstäblich "wie zwei zusätzliche Füße", nur mit Rollen dran. Ein Traum!

Domplatte, Sonntagnachmittag im Sept. 1984 - Spontanes Treffen und zelebrieren von Kunststückchen zum Ghettoblaster
Domplatte, Sonntagnachmittag im Sept. 1984 - Spontanes Treffen und zelebrieren von Kunststückchen zum Ghettoblaster

Damit konnte man auch hin und wieder seine Kunststücke auf der Kölner Domplatte zum Besten geben, was ich ein paar mal in die Tat umsetzte. Oft war der legendäre Kölner Express-Fotograf "Zik" dabei (hier zu sehen). Er war sowieso immer nur auf Roller Skates in Köln unterwegs, um seine Fotos zu machen. Auch auf der Rollschuhbahn sah man ihn häufig.

 

Es war einfach eine wunderbare Zeit, die kein Ende zu nehmen schien. Das Jahr 1983 war beispielsweise ein einziger Höhepunkt, ich genoß wie alle den Supersommer des Jahres, war aber immer auf der Rollschuhbahn vertreten. Lediglich der Sommerurlaub in Italien und Österreich verhinderte den durchgängigen Besuch der Bahn, die Rollschuhe jedoch kamen mit in den Urlaub.

 

Der Zenit ... und dessen Überschreitung

 

So blieb es und bis zum Spätsommer 1984 schien alles seinen geregelten Gang zu nehmen. Ab etwa Spätherbst 1984 fiel auf, dass die Rollschuhbahn langsam, aber sicher mit einem spürbarem Rückgang der Besucherzahlen zu kämpfen hatte. Anfangs fand ich das nicht so schlimm, denn etwas mehr Platz auf der Bahn war zunächst gar nicht schlecht. Doch im Laufe der Zeit wurde es immer auffälliger: Der Hype der Jahre 1982 und 1983 und zu Beginn auch 1984 war vorbei, der Zenit war überschritten.

 

Ab dem Frühjahr 1985 änderten sich bei mir die privaten und beruflichen Umstände und damit verlagerten sich auch meine Interessen. Aus 3-4 Mal die Woche Rollschuhdisco wurde mit der Zeit nur noch einmal wöchentlich. Dann reduzierte sich das Ganze in einer Art schleichenden Entwicklung auf alle 14 Tage, bis man schließlich nur noch einmal im Monat vor Ort war. Schließlich war ich Ende 1986 oder Anfang 1987 – so genau kann ich das vom Zeitpunkt her nicht mehr fixieren -  das ultimativ letzte Mal auf der Frechener Rollschuhbahn aktiv. Sie war zu meinem Schrecken mittlerweile um mehr als die Hälfte verkleinert worden, weil einfach zu wenige Leute kamen.

 

Das war schlußendlich der Auslöser für meinen endgültigen persönlichen Abschied. Der "Spirit" vor Ort war schon länger nicht mehr derselbe. Viele weitere Stammgäste hatten sich anderen Hobbys zugewandt oder lebten generell ein anderes Leben.  Manche heirateten auch früh, man wurde erwachsen und was hatte man da noch auf einer Rollschuhbahn verloren? Wie der Kölsche sagt: "Alles hätt sing Zick", und die Zeit der Rollschuhdisco war eben vorbei. Damit fand man sich ab und war auf dem Weg zu neuen Ufern. Aus der alten Rollschuhbahn entstanden mit dem „Westside“ und dem „Tarm-Center West“ als Nachfolger diverse Großraumdiscotheken, die für mich nicht in Frage kamen. Immerhin war das „Westside“ sogar mal kurz im Schweiger-Film „Manta, Manta“ von 1991 zu sehen. Aber das interessierte nicht mehr sonderlich. 

 

Die Jahre vergingen und man lebte sein Leben, in welchem die Zeit auf der Rollschuhbahn aber in der Erinnerung immer präsent blieb. Jedesmal wenn im Radio, auf einer Party oder in einer Pinte plötzlich und unerwartet ein Song erklingt, der damals die Massen auf die Bahn trieb, spürte und spüre ich bis heute ein Kribbeln in den Füßen. Meine Frau kennt das schon, es folgt meist mein Standardsatz für diesen besonderen Moment: "Jetzt ein paar gute Roller Skates…" Im Geiste fliege ich dann heute noch über die Bahn. 

Anfang der 2000er, Ausflug auf Inline-Skates. Nett, aber nicht vergleichbar.
Anfang der 2000er, Ausflug auf Inline-Skates. Nett, aber nicht vergleichbar.

Erste Nostalgie

 

Ende der 90er Jahre schnallte ich mir erstmals seit der Rollschuhzeit gelegentlich die mittlerweile modernen Inline-Skates unter die Sohlen und erkundete damit Köln und seine Umgebung. Doch erstens ist das lauftechnisch eine ganz andere Herausforderung als mit den klassischen Rollschuhen, und zweitens gab es dafür nie eine passende Disco. Für mich war das zwar eine artverwandte und nette Outdoor-Betätigung, aber niemals vergleichbar mit den unvergesslichen Nächten auf der Rollschuhbahn.

 

Als ich 2004 einen 80er-Jahre-Abend in meinem Partyraum veranstaltete, kramte ich im Laufe des Abends unter dem Jubel der Gäste spontan meine damals schon mehr als 20 Jahre alten Rollschuhe hervor und drehte ein paar Runden in dem dafür viel zu kleinen Raum. Doch leider lösten sich an diesem Abend einige der Kunststoffrollen aufgrund von Materialermüdung regelrecht auf, was auch auf den Fotos festgehalten wurde. Sie zerkrümelten mir regelrecht, während ich fuhr. Die Schuhe landeten daraufhin im Müll, eine Entscheidung, die ich heute bedauere und mich frage, was mich da geritten hatte. Zumindest als Erinnerungsstück hätte ich sie behalten sollen, stattdessen zieren nun einige meiner Maxi-Singles aus der Rollschuhzeit zusammen mit ein paar wenigen Bildern aus dieser Ära eine extra dafür freigehaltene Wand.

September 2004, letzter Einsatz der alten Roller Skates
September 2004, letzter Einsatz der alten Roller Skates

Aus dem einstigen "Hobby-Lieblingssportart-Lebensgefühl" war also eine nostalgisch angehauchte Erinnerungsgeschichte mit dazu gehörigen Memorabilia geworden. Es ist schon seltsam, dass diese kurze Ära – sie dauerte in der Hochphase nur knapp drei Jahre (Sommer 82 – Frühjahr 85) – so nachhaltig in Erinnerung blieb. Ich glaube, das liegt auch daran, dass ich seit meinem Schulabschluss im Jahr 1981 lange Zeit auf der Suche nach einem Ort war, an dem ich mich selbst finden und entfalten konnte. Und ich denke immer noch, dass es keinen besseren Ort dafür gab, als die Rollschuhbahn mit all den Möglichkeiten, die sie mir bot. Zu der Zeit war ich zwar auch in normalen Diskotheken in Köln unterwegs (New York, Up, Jazzkeller "Subway", um nur einige zu nennen), aber das war irgendwie alles nur eine Ablenkung, bis es endlich Freitagabend war und ich meinen "spirituellen Ort" aufsuchen konnte.

 

Vielleicht halte ich diese Zeit auch deshalb so in Ehren, weil es beim Rollschuhfahren um weit mehr ging als sich einfach nur zu Musik im Kreis zu drehen. Es war ein ganz bestimmtes Lebensgefühl, das sich dort entwickelte, eine Atmosphäre von Gemeinschaft und Freiheit. Und wenn wir schon von Entwicklung sprechen: Ich war gerade mal 18 Jahre alt und noch in der Ausbildung, als ich damals damit begann. Deswegen war die Rollschuhbahn ein Glücksfall für mich. Es gab nun nämlich immer ein Ziel, besonders wenn ich nach einer manches Mal frustrierenden Woche in der Ausbildung meinen Ausgleich brauchte. Denn ganz ehrlich, die 80er waren nicht nur cool und neonfarben, wie sie heute oft dargestellt werden. Es gab auch viele graue Momente.

 

Die 80er - Eine coole, neonfarbene Dauertparty? NEIN!

 

Wenn man wie ich damals vom Dorf aus mit dem Überlandbus nach Köln fuhr, in die Linie 13 stieg und dann noch gute anderthalb Kilometer bei Wind und Wetter bis zum Ausbildungsbetrieb laufen musste, dann war das nicht immer ein Leben voller Spaß und Abenteuer. 

1983 - Wohnen auf dem Dorf und warten, das etwas passiert ... nicht alles war aufregend an den 80ern.
1983 - Wohnen auf dem Dorf und warten, das etwas passiert ... nicht alles war aufregend an den 80ern.

Man denkt ja heute oft, die 80er waren so ultracool und es gab durchweg Party. Doch das war ganz und gar nicht einheitlich der Fall. Der kalte Krieg bestimmte den Zeitgeist ebenso wie die heftigst debattierte Nachrüstung (NATO-Doppelbeschluss) und die Sorge vor einem Atomkrieg wurde durch den viel diskutierten Hollywoodstreifen "The Day After" noch einmal heftigst befeuert.  Saurer Regen, Waldsterben, Jugendarbeitslosigkeit usw. waren Themen, die alle beschäftigten. Es war also keinesfalls so, dass das ein reines Spaß-Jahrzehnt war und man sich für den Rest der Probleme nicht interessierte! Dazu gab es noch sehr viel Spießertum in der Gesellschaft und deutlich weniger Ablenkung durch Angebote für Jugendliche und junge Erwachsene. Das führte vor allem unterhalb der Woche zu manch langweiligen Momenten nach dem Feierabend.

 

Deshalb lebte ich wie viele anderen meiner Generation auch, auf das Wochenende hin. Denn zum  Glück wusste ich, wo ich hingehen konnte, wo ich akzeptiert wurde und wo ich einfach das machen konnte, worauf ich im Beisein von Freunden so richtig „Bock“ hatte. Denn wie gesagt, das Ganze war mehr als "sich nur ein bisschen im Kreise drehen". Es war auch eine Art Heimathafen, in dem man sich sicher fühlte. Manche anderen Zeitgenossen kamen in Köln in diversen Discotheken mit Drogen in Kontakt. Ich nicht, denn meinen sportlich-legalen „Kick“ holte ich mir an einem anderen Ort.

Weiße Hose, Nietengürtel, weißes Netzhemd über schwarzem T-Shirt und man wurde 1984 dennoch nicht verhaftet.
Weiße Hose, Nietengürtel, weißes Netzhemd über schwarzem T-Shirt und man wurde 1984 dennoch nicht verhaftet.

All das führte letztlich zum ausfeilen der eigenen Persönlichkeit und man reifte heran. Dazu gehörte, dass sich gerade in dieser Rollschuh-Ära mein Frisur- und vor allem mein Klamotten-Stil merklich änderte. Bei dessen Entwicklung erlaubte ich mir zielsicher den einen oder anderen modischen Ausrutscher und manche Peinlichkeit. Wer die Mode der 80er kennt, weiß aber, das Peinlichkeiten dazu gehörten, man konnte ihnen gar nicht ausweichen. Da aber auch die Rollschuh-Community sowie die Rest-Gesellschaft manches fragwürdige Textil-Detail aufbot, war es am Ende sogar irgendwie cool und farbenfroh. Grau war die Zeit unter der Woche schon genug.

 

Zurück in die Zukunft - Also "Heute"

 

Damit nun genug zu der Zeit von damals, die ich nun doch etwas ausschweifender dokumentiert habe, als zunächst gewollt. Zurück in die Gegenwart des Jahres 2024, denn nachdem ich mitbekommen hatte, dass es nun in Köln wieder eine echte Rollschuhdisco gibt, hatte ich sogleich vor, mich noch einmal auf die "Rollen" zu machen ...

 

Aber, … ach du meine Güte, als ich das letzte Mal auf Roller Skates in einer Disco unterwegs war, führte Helmut Kohl noch die Regierung an, Frank Elstner moderierte immer noch "Wetten, dass..?", der 1. FC Köln kämpfte gegen Real Madrid um den Europapokal, und Diego Maradona verzauberte die Weltmeisterschaft. Zu dieser Zeit war die D-Mark das gängige Zahlungsmittel, die DDR gab es noch und war von Mauer und Stacheldraht umgeben. In den Kinos liefen Filme wie "Stand by Me", "Highlander", "Platoon", "Top Gun" oder "Die Farbe des Geldes". Das ist eine halbe Ewigkeit her!

Das Comeback nach fast vier Jahrzehnten! Immerhin, "Posen" im Stehen klappt schon mal ...
Das Comeback nach fast vier Jahrzehnten! Immerhin, "Posen" im Stehen klappt schon mal ...

Aber der Reiz war einfach zu groß und schließlich war ich ja auch schon erfolgreich wieder Ski gefahren, obwohl der Vergleich vielleicht etwas hinkt. Also haben meine Frau und ich uns kürzlich auf den Weg nach Köln gemacht, um es noch einmal zu wagen. Die passenden Schuhe konnte man sich wie damals vor Ort leihen, also ... warum eigentlich nicht?

 

So fuhren wir Anfang März, an einem Samstagabend dann Richtung „Rollersclub“ in Köln. Immer noch mit Bedenken ob des körperlichen Zustands und der Gewissheit mit Sicherheit zu den ältesten Besuchern zu gehören, … aber dennoch mit viel Vorfreude und gespannter Erwartungshaltung.

 

Nachdem wir einen Parkplatz gefunden hatten, sind wir einer Gruppe gefolgt, die offensichtlich auch Richtung "Rollersclub" unterwegs war, was für etwas Erleichterung sorgte. Die Truppe bestand größtenteils aus lockeren Leuten in den Vierzigern, die sich, wie man aus ihren Gesprächen heraushörte, auch auf den Retro-Trip freuten. Zu denen war der Altersunterschied ja nicht ganz so groß.

 

Wir hatten uns online ein Zwei-Stunden-Ticket besorgt, was zunächst nicht viel klingt. Aber auch auf der Frechener Rollschuhbahn war die Maximalzeit auf vier Stunden begrenzt. Und wer schon mal vier Stunden am Stück gelaufen ist, weiß, dass auch zwei Stunden ziemlich lang sein können, besonders für die eher untrainierten.

 

Das Comeback nach bald vier Jahrzehnten steht an

 

Die Wartezeit an der Kasse war überschaubar, aber das Anziehen der Roller Skates mussten wir erstmal wieder etwas üben. Schließlich braucht man ja den Halt, um genügend Sicherheit auf den Dingern zu entwickeln. Meine Leih-Schuhe hatten einen ganz ordentlichen Eindruck gemacht, waren aber weit von meiner damaligen Ausrüstung entfernt. Die Technik hat sich schließlich weiter entwickelt und ich war gespannt, wie ich damit klarkommen würde. Allzu großen Erwartungen an mich selbst hatte ich nicht, ich nahm mir nur fest vor, mich sehr vorsichtig auf der Bahn zu bewegen. Das war sowieso unser Hauptthema Nummer eins: Vorsicht und keine übermütigen Spielchen! Heutzutage stecken wir Stürze sicher nicht so locker weg wie damals, als das im Rahmen des Austestens der eigenen Grenze immer mit eingepreist war. 

Unter https://www.rollersclub.de/ kann man Tickets bestellen. Und nein, ich bekomme keine Provision ;-) ...
Unter https://www.rollersclub.de/ kann man Tickets bestellen. Und nein, ich bekomme keine Provision ;-) ...

Die Schuhe saßen, es war also endlich soweit. So stand ich nun am Rand der Bahn und wollte loslegen, aber ähnlich wie 1982 war ich zunächst noch etwas unsicher. Ich wartete eine ganze Weile (es waren wohl nur 30 Sekunden, aber es kam mir unendlich lange vor), bis einige Pulks vorbei gefahren waren, als ich mich dann endlich auf die Bahn traute. Oh Mann, war das holprig ... ich fühlte mich zurück auf dem Anfängerniveau von damals. Gute drei bis vier Runden brauchte ich, bis das Gefühl für die Roller Skates langsam, ganz langsam wieder ein wenig zurückkehrte.

 

In den ersten gut zehn Minuten war das wohl nicht schön anzuschauen und auch das fahren selbst war eher semi-vergnüglich. Immer wieder zog es mich leicht nach hinten, die Sicherheit wollte sich noch nicht recht einstellen, wenn es auch mit jeder Runde leicht besser wurde. Vermutlich hat es auch viel damit zu tun, dass meine letzten "Lauferinnerungen" die Zeit mit den Inline-Skatern waren. Das hatte ich noch abgespeichert und verhielt mich entsprechend, was aber nicht recht passt, wenn man Roller Skates an den Füßen hat. Bei den Inline Skatern hat man die vier Rollen in einer Reihe, was das Laufen technisch anders gestaltet im Vergleich zu den Rollschuhen, bei denen die Rollen paarweise hintereinander stehen. 

 

Nun ja, es wurde mit der Zeit besser und ich fühlte mich etwas sicherer, obwohl ich mich nicht wirklich traute, etwas Besonderes zu versuchen. Ein paar Mal fuhr ich rückwärts, aber das ließ ich schnell wieder sein. An diesem Samstagabend war die Bahn ziemlich voll und da passte das nicht recht. Die Fläche ist dazu auch deutlich kleiner als zu der Zeit auf Joki´s Rollschuhbahn. Das Areal hat verglichen dazu höchstens ein Drittel der Größe, wenn überhaupt. Im Gegensatz zu damals fehlt auch ein Übungsring im Inneren, weil einfach nicht genug Platz dafür ist. Dort konnte man damals spezielle Tricks üben, was hier im "Rollersclub" leider nicht möglich ist. Ich schätze sogar, dass der damalige Übungsring fast halb so groß war, wie die gesamte Bahn im "Rollersclub" in Köln.

Die alte Bahn in Frechen war deutlich größer (Foto:  https://rollersk8.de/ )
Die alte Bahn in Frechen war deutlich größer (Foto: https://rollersk8.de/ )

Aber das soll jetzt keine übermäßige Kritik sein, denn im Großen und Ganzen ist der "Rollersclub" schon ziemlich gut. Die Musik-Anlage ist in Ordnung, es lief eine Menge Musik aus den 80ern, auch die 90er kamen nicht zu kurz. Zwar war es nicht unbedingt die reine "80er-Rollschuhbahn-Lehre", eher so ein Best-of Standard-80er wie Kate Bush, Modern Talking, A-ha usw. Aber das war schon in Ordnung, ich hatte nicht erwartet, dass sie Club-Sounds oder Insider-Rollersongs spielen würden. Es gibt also keinen Grund zur Beschwerde.

 

Anstrengender als gedacht

 

Es dauerte nicht lange, bis wir spürten, wie anstrengend das Laufen war. Nach etwa fünf Minuten legten wir unsere erste Pause ein. Zwar gab es keinen inneren Ring, aber es gab Sitzbänke in der Mitte der Bahn, die wir mehrmals nutzten. Ich kam ordentlich ins Schwitzen und fragte mich ernsthaft, wie ich das alles damals mit viel mehr Geschwindigkeit und Intensität vier Stunden lang fast ohne Pause durchgehalten hatte. Aber na ja ... 

 

Wir liefen nun besser und genossen es, sicherer entlang der Bahn zu gleiten, und schließlich begann ich fast wie von selbst, in den Kurven "umzusteigen". Ich verließ dadurch nun den Anfängermodus und holte zusätzlich ordentlich Geschwindigkeit heraus. Allerdings musste ich aufpassen, denn anders als früher wurde hier die Regel "Fortgeschrittene außen, Anfänger innen" nicht wirklich befolgt. Es gab leider auch keine Bahnaufsicht, wie ich es von früher kannte, die für ein bisschen Ordnung sorgte. Einige "echte" Anfänger staksten daher etwas unbeholfen auf der Außenbahn herum, was das Laufen erschwerte. Manche Gruppen von drei oder vier Leuten hielten sogar mitten auf der Außenbahn für ein Selfie an. Ein Problem, das uns in den 80ern fremd war ...

Das Publikum war alterstechisch bunt gemischt und die holde Weiblichkeit leicht in der Überzahl. In puncto Können gab es die Fahrer und Fahrerinnen mit solider Skater-Erfahrung, aber doch recht viele absolute Neulinge. Hin und wieder sah man auch echte Profis, die meistens älteren Semesters waren. Da war ganz sicher der ein oder andere ehemalige Frechener aus den guten alten Zeiten dabei. Einen habe ich sogar beim Rausgehen (wahrscheinlich) wiedererkannt, aber die Situation war einfach nicht passend, um ihn anzusprechen. Vielleicht beim nächsten Mal, denn wir werden wohl wiederkommen. 

 

Aber zurück zum Geschehen: Nach etwa einer halben Stunde war ich zwar immer noch Lichtjahre von meinem früheren Skate-Niveau entfernt (und werde auch nie wieder dorthin gelangen), aber ich fühlte mich mittlerweile sicher genug, um ein paar Handy-Filmaufnahmen zu machen, indem ich die Kamera vor meinem Körper hielt. Wir haben uns auch gegenseitig gefilmt und somit konnte ich mich später erstmals seit 1982 im Bewegtbild selbst auf Rollschuhen begutachten. In den alten Tagen gab es nur wenige Fotos von fragwürdiger Qualität, und an Filmaufnahmen war seinerzeit nicht mal im Traum zu denken. Schade, denn die damaligen Filmschnipsel wären hundertprozentig beeindruckender gewesen, als das, was ich als lebende "Rollschuh-Ruine" nun eher Ernüchterndes bot. Aber okay, das war ja auch nicht anders zu erwarten. 

Der Videobeweis des Comebacks - Der Song Bounce, Rock, Skate, Roll" von Vaughan Mason & Crew wurde am besagten Abend nicht gespielt. Ich habe ihn unterlegt, um ein einheitliches Hörgefühl zu ermöglichen, da sich der Clip aus diversen  Einzelschnipseln zusammensetzt was einen unschönen Musik-Mix-Salat gehabt hätte. Ach ja, und natürlich weil er einfach cool ist ... 


Nun ja, nach gut 70 Minuten hat es mich dann trotz aller Vorsicht erwischt. Ich knallte auf den Boden, weil ich wohl doch mit etwas zu viel Speed in eine Kurve einbog, wo es sich plötzlich so ballte, dass ich nicht mehr rechtzeitig zum Stand kam und beim Ausweichversuch letztlich doch eine unschöne und auch schmerzhafte Erdberührung hatte.

 

Trotz alles Vorsicht kam es zum Bodenkontakt

 

Da musste ich erst einmal eine kleine Pause einlegen, um die Schmerzen in Leiste und Adduktoren zu verkraften. Danach fiel mir das Laufen merklich schwerer, und da wir beide auch schon ordentlich erschöpft waren, beschlossen wir als Vorsichtsmaßnahme, unser kleines Abenteuer und unsere Zeitreise etwas früher als geplant zu beenden.

 

Nun ja, was soll ich sagen? Nach meinem unsanften Treffen mit dem Boden hatte ich in den folgenden Tagen ein paar Wehwehchen zu beklagen, aber nach vier oder fünf  Tagen fühlte ich mich schon wieder topfit. Wie ich bereits angedeutet habe, stehen weitere Abenteuer dieser Art definitiv auf dem Programm. Gerade den Abgang kann man ja so nicht stehen lassen ...

 

Das Fazit: Ernsthaft betrachtet, wird es nie wieder ganz wie früher sein, nicht mal annähernd. Denn ein komplettes Lebensgefühl oder eine Ära kann man weder kopieren noch zurückholen. Das gilt auch für das Niveau, welches man heute so nie wieder wird abrufen können. Die alten Tage sind Vergangenheit und das ist völlig in Ordnung. Als jemand, der definitiv nicht im Gestern lebt und sich auf die Zukunft freut, bin ich froh, dass wir nicht mehr im Jahr 1982 feststecken! Trotzdem war dieser kleine Ausflug, wie ich es am Anfang des Textes beschrieben habe, letztendlich erfolgreich. Der Trip in die Gegenwart war letztlich ein schönes, neues Event mit „Rollschuhfahren zur Musik im Kreis“, welches aber seine Bedeutung vor allem durch die Vorgeschichte hat. Das habe ich hier nun ansatzweise erläutern können und freue mich darauf "neue Geschichten" zu schreiben. Gerne auch ab und an auf Rollschuhen.

  

Aber ganz ehrlich, ein Hauch – immerhin ein Hauch - von den für mich schönsten Seiten der 80er war bei dem ganzen Spektakel definitiv doch spürbar ...


PS: Von der damaligen Rollschuhbahn in Frechen gibt es – altersbedingt – keine einzige Videoaufnahme im Netz. Wenn man aber erahnen möchte, wie es damals war, sollte man sich dieses großartige Video deutlich neueren Datums komplett anschauen. Lauftechnisch und von den ganzen Moves her ist das sehr vergleichbar, mit dem, was damals in Frechen auf die Bahn gezaubert wurde. Und der im Text bereits erwähnte Song "Bounce, Rock, Skate, Roll" von Vaughan Mason & Crew ist einer der größten Roller Skater Hymnen schlechthin.