Zurück in die 80er - Nachbetrachtung einer Party

Bericht zum 80er Live Konzert in Düsseldorf

Letzten Samstag war ich im Düsseldorfer Stadion, etwa 30-40 Meter von einem der beiden Tore entfernt und schaute/hörte mir mit meiner Frau das Konzert „80er live“ an. Wir hatten uns die recht günstigen Karten im Oktober gesichert, um mal einige der Chartfutter-Lieferanten der 80er Jahre auf Aktualitäts-Tauglichkeit zu prüfen. Natürlich war auch ein nostalgischer Aspekt dabei, … die Mischung der angekündigten Akteure machte es letztlich, denn wohl für keinen hätte ich mich für ein Einzelkonzert entschieden. Folgendes Line-Up war in dieser Reihenfolge mit jeweils etwa 30 Minuten Auftrittszeit (incl. Umbauten) von 16 Uhr bis 22 Uhr (!) angekündigt: F.R. David, Cutting Crew, Marc Almond (Soft Cell), Howard Jones, Gazebo, Sandra, Limahl, Nik Kershaw, Samantha Fox, Alphaville und als Schlußact; Holly Johnson, Sänger & Frontmann von Frankie goes to Hollywood.

 

Letztgenannter Holly Johnson hat mich persönlich am meisten gereizt, seinerzeit hat er mit FGTH einige Meilensteine hinterlassen, die mich begeistert haben. Einige ihrer Maxi-Singles sind bis heute unerreicht, im Bereich Twelve Inch gehörte FGTH wohl zum Besten, was die Musikszene zu bieten hatte. Das lag sicher auch am Musikproduzenten Trevor Horn, der einen ganz eigenen, prägnanten Stil pflegte, der seinerzeit schlicht neu war. Vor allem die treibenden Basslinien hatten es mir immer ganz besonders angetan.

 

Von den anderen Künstlerinnen und Künstlern fand ich Gazebo, Nik Kershaw und Marc Almond auch recht reizvoll und selbst von denen, die ich nicht so mochte,  gab es immer mal das eine oder andere Lied, was man sich auch heute noch gut anhören kann. Übrigens, mit Howard Jones und Nik Kershaw waren immerhin zwei Teilnehmer des Live AID Konzerts in London und Philadelphia vom 13. Juli 1985 dabei. Da war ich als Autor des Live AID Romans „The Lesson Today“ natürlich auch persönlich neugierig, wie die beiden sich im Jetzt und Heute präsentieren. Am wenigsten interessant, das gebe ich zu, waren für mich die Songs aus der Michael Cretu-Schublade, die Sandra zum Besten gab und bezüglich Samantha Fox …. Nun ja, bei der letztgenannten schweigt der Laien-Musikkritiker betreten in mir. Die hatte aber auch ihre Präsenz in den 80ern, von daher schon okay. 

 

Selbstverständlich war man auch neugierig, wie diese Mit-Überlebenden dieses Jahrzehnts wohl gealtert waren, man hat sie ja teilweise nur noch aus der damaligen Sichtweise im Hinterkopf. Die alten Videos dazu sorgen ja auch dafür, dass man im Prinzip nur das Bild aus früheren Tagen im Sinn hat. Nun denn, man durfte gespannt sein. Also, … auf nach Düsseldorf, eine Aussage, die mir ansonsten nicht ganz so flüssig über die Früh- oder Gaffel-Kölsch benetzten Lippen kommt  ;-) …

 

Im strömenden Regen ging es vom Parkplatz aus etwa 20 Minuten Richtung Stadion, man war also bereits klitschnass, als man dort ankam. Aber das Dach der Arena war geschlossen und innen drin war auch gut geheizt (später dann zu gut). Also war das Wetter kein Problem. Wir suchten uns im Innenraum einen guten Platz, der eben etwa 30-40 Meter von der Bühne entfernt war und dann konnte es ab 16 Uhr dann losgehen.

 

Nach einem ordentlichen Intro mit einer über die ganzen Stunden wirklich beeindruckenden und starken Lightshow folgte die Begrüßung des „Formel Eins“ Moderators Peter Illmann, der als eine Art Conférencier fungierte. Danach war es zunächst an F.R. David, die Massen – etwa 35.000 waren gekommen – in Stimmung zu bringen. Ich hatte mich zuvor schon gefragt, was der Mann denn außer dem allseits bekannten „Words“ denn sonst noch singen will? Er begann zunächst mit „Pick up the phone“, seinem Nachfolgehit von „Words“, an den ich mich sogar noch dunkel erinnern konnte. Den zweiten Song habe ich nicht recht erkannt, es klang aber ganz nett, bis er dann eben das allseits erwartete „Words“ performte. Was soll man sagen, dieses eingängig-harmlose und leicht triviale Liedchen funktioniert auch über 40 Jahre nach dem ersten Erscheinen immer noch. Und der Künstler brachte es live auch gut über die Bühne, … das ist ja bei einem mittlerweile 76jährigen alles andere als selbstverständlich. Alles in allem ein solider und ordentlicher Opener, der Bock auf mehr machte.

 

Noch mehr Stimmung in den Schuppen brachte die anschließend auftretende „Cutting Crew“, deren ersten Song ich zwar nicht erkannte, aber es folgte schließlich rasch eine grundschöne 80er Edelschnulze. Jedenfalls dürfte das vorgetragene  „I’ve Been in Love Before“  früher so manch verschämten Tanzschulen-Stehblues ausgelöst haben. Mit dem danach schmissig und überzeugend performten "(I just) died in your arms" war das Stadion endgültig zum lauten Mitsingen animiert. Der Sänger Nick van Eede (musste ich Wikipedia nutzen) war wirklich gut drauf, auch wenn er etwas hinkte, weil er sich Weihnachten das Knie verletzt hatte, wie er mitteilte. Bei ihm hatte ich noch das Video aus grauer Vorzeit vor Augen und war beruhigt, das er ähnlich wie meine Wenigkeit etwas „großflächiger“ rüberkam und auch die Haare etwas dünner waren. Es geht also auch anderen so wie mir. Aber ähnlich wie bei F.R. David bewegte sich der Gesang recht nah am Original. Und es war ein guter Auftritt, der echt Spaß machte.

 

Nun folgte Marc Almond, bei dem ich durchaus eine höhere Erwartungshaltung hatte. Aber leider konnte er die nicht so recht erfüllen. "Something´s gotten hold of my heart", eigentlich ein recht prägnantes Lied, konnte ich erst nach längerem Zuhören erkennen. Aber das kam in der zweiten Hälfte immerhin noch einigermaßen gut rüber. Sein All-Time-Kracher „Tainted Love“ hingegen kam nur sehr dünn in unseren Reihen an, das war schon recht enttäuschend. Ist dieser Song wohl einer DER 80er Songs schlechthin, … insbesondere in der Maxi-Version, welche mit „Where did our Love go“ genial verknüpft wurde. Die mitsingenden Fans jedenfalls übertönten Almond deutlich, so das immerhin die Stimmung nicht abbrach. Almond selbst konnte man übrigens kaum sehen, er wurde nicht von den Kameras für die Großbildleinwände erfasst (angeblich seine Vorgabe) und war somit für die meisten im Stadion nicht zu erkennen. Nun ja, passt ja … da er für viele auch nicht zu hören war … er war wohl inkognito da. 

 

Im Nachhinein wurde ja bekannt, dass der Sound vor allem auf den Zuschauerrängen bei allen Künstlern so grottenschlecht gewesen sein muss, dass viele Fans frustriert das Konzert verlassen hatten. Das war bei uns nur auszugsweise der Fall, bei Almond schien mir der Sound am schlechtesten gewesen zu sein. Am wenigsten lag das wohl an der ständigen Begleitband, die wirklich alles gab, um den Musikern den Sound zu sättigen. Aber wie gesagt, bei dem einen oder anderen passte wohl die Abstimmung nicht so ganz. Das dürfte aber nicht das Problem für die Oberränge gewesen sein, die wohl durchgängig fast nichts hörten. Da war wohl eine grundsätzlich schlechte Beschallung dieses Bereichs das Problem.

 

Als nächstes erschien Howard Jones auf der Bühne … und gewann sogleich den Wettbewerb um die diskussionswürdigste Frisur des Abends. Eigentlich war und ist die unbeschreiblich, ein wenig erinnerte er an den Dartspieler „Snakebite“ Peter Wright, allerdings die mittig langen Haare nicht zum Iro präpariert, sondern seitlich als eine Art Oberzopf drapiert. Musikalisch war das grundsolide und gut, … „New Song“, „No one ist to blame“ und vor allem „What is love“ sind Dinger, die musikalisch in der Halle letztlich doch gut zündeten. Der Ton hätte aber auch hier etwas klarer sein dürfen.

 

Nun kam Gazebo, der den Bereich „Italo Disco“ abdecken sollte. Zunächst sah der Mann aber aus, wie ein älterer Ex-Versicherungsvertreter, der sich nebenbei auf Butterfahrten mit Al Martino Songs nebenbei die Rente aufbessern will. Jedenfalls wirkte er im Tweed-Zweireiher auf dem leicht barock gewordenen Körper nicht nach einem Star, der die italienische und durchaus auch die europäische Discomusik in den frühen 80ern mit revolutionierte. Aber weit gefehlt, Gazebo entpuppte sich als derjenige, der bisher die Massen am meisten begeistern konnte. Der glockenklare Italo-Disco Sound kam gut rüber und weil das ganze so eingängig und überzeugend rübergebracht wurde, legte Gazebo das optische Image des Spießers ganz schnell ab und hatte das Publikum voll im Griff.

Er begann mit „Masterpiece“, ging hinüber zum immer etwas unterschätzen „Lunatic“ (knallte gut) um dann natürlich mit „I like Chopin“ die Halle gänzlich zu erobern. Man kann sagen, was man

will: Seicht, eingängig, seifig! Aber, hey … es funktioniert. Erst recht in einer Halle (eigentlich ja Stadion), die geradezu nach erinnerungswürdigen 80er Texten lechzt, um Party zu feiern. Und den Text von „I like Chopin“ kann sich ja selbst der schwächste Lyrik-Gymnasiast merken, selbst wenn dieser früher in der Schule schon Probleme bei Kurzgedichten von Eduard Mörike hatte. „Used to say, I like Chopin, Love me now and again, Whoa-oh-oh … Rainy days never say goodbye, to desire when we are together, …“

Die Gazebo-Show ging weiter, er sang noch „Dolce Vita“ … aber Halt! Das hat doch Ryan Paris gesungen? Jedenfalls hatte ich das sofort im Hinterkopf, aber vermutlich hat es Gazebo geschrieben. Ein nachträglicher Wikipedia-Check bestätigte genau diesen Verdacht. Damit jedenfalls wolle der Italiener die Bühne verlassen, wurde jedoch noch zu einer Zugabe „genötigt“.  Also erschallte noch „Tarzan Boy“, welches eigentlich von Baltimora gesungen wurde. Auch der spätere Internet-Check sagte, das Gazebo damit eigentlich nichts zu tun hatte. Aber wer weiß und überhaupt, ... was soll´s. Es war lustig und beendete einen gelungenen Auftritt dann endgültig. Von wegen Butterfahrt!

 

Es folgte die Sängerin, die von allen Auftretenden möglicherweise die meisten Einheiten verkauft hat (wohl über 30 Millionen): Sandra, die gleich mit dem Song anfing, der sie bekannt gemacht hatte: "Maria Magdalena", später noch „In the heat oft he night“. Soweit so gut, allerdings war sofort klar, dass hier Playback im Spiel war, was die Sängerin in einer Zwischenmoderation auch selbst bestätigte. Sie war etwas schwer zu verstehen, aber der Satz „beim nächsten Mal singe ich live, aber das war hier und jetzt nicht möglich“ kam erkennbar rüber. Im Nachhinein habe ich gelesen, dass sie vor nicht allzu langer Zeit erst den Brustkrebs besiegt hat, daher ist wohl jegliche Kritik hier fehl am Platz. Rein optisch erinnerte Sandra übrigens an die späte Wencke Myhre, ähnlich wie viele andere, inklusive mir selbst, hat auch sie mit den Jahren nicht nur an Lebenserfahrung dazugewonnen.

 

Musikalisch war Sandra nie mein Ding, das schrieb ich weiter oben bereits. Daher überrascht es nicht, dass der Auftritt nicht zu meinen Favoriten gehörte. Geschmäcker sind eben verschieden. In der Halle kam das aber schon recht gut an, wenn auch der Gazebo-Auftritt deutlich mehr Zuspruch erhalten hatte.

 

Auch der nächste Künstler ist auf meiner persönlichen Beliebtheitsskala eher unterstufig unterwegs gewesen. Um es klar zu sagen, mit dem Teenie-Idol und Mädchenschwarm Limahl konnte ich damals nichts anfangen, hatte aber auch nichts gegen ihn. „Too shy“, das Lied, welches er noch als Kajagoogoo Sänger intonierte, war als Einzelsong noch okay. Alles andere, … naja. Aber sein Auftritt war irgendwie jetzt doch ganz nett, auch weil er seine Lieder mit seiner eigenen Moderations-Einleitung in deutscher Sprache versah. Das war irgendwie doch ganz freundlich, auch wenn er charmant eingestand, dass er alles vom Tablet ablesen musste.  Allerdings, … auch bei so manchen Textpassagen seiner vorgetragenen Songs schielte er deutlich auf eben jenes Tablet. Stimmlich waren so manche Höhen mittlerweile nicht mehr für ihn erreichbar. Da musste er ein wenig tricksen, insgesamt war der Auftritt mit den Liedern „Too Shy“, „Ooh to Be Ah“, „Only for Love“ und dem meist umjubelten „Never endig Story“ (aus der „Unendlichen Geschichte“) doch solide und hat vielen gut gefallen.

 

Gerade bei Limahl hatte man gesehen, dass es die Mischung war, die diesen Event interessant machte. Ein ganzer Abend mit diesem Künstler wäre für mich keine Option, so aber fasste sich sein Auftritt in den der anderen mit ein. Und das er eben zu den 80ern gehört, ist schlicht unbestritten. Natürlich weiß ich auch, dass andere Gäste andere Prioritäten setzten und das wohl genau andersherum empfunden haben als meine Person … und das ist auch völlig in Ordnung so.

 

Erwähnen möchte ich noch, dass die berüchtigte und damals sehr populäre Limahl-Igelfriese mittlerweile Geschichte ist (obwohl man im Publikum viele Perücken dieser Art sah) und er stattdessen beim nächsten Nigel-Kennedy-Lookalike Wettbewerb ganz sicher zu den erklärten Favoriten gehört. 

 

Es war nun an Nik Kershaw, aus meiner Sicht wieder etwas mehr musikalische Tiefe in die Veranstaltung zu pushen, was ihm auch gelang.  Er begann mit „Wide Boy“ und „The Riddle“, steigerte sich mit „Wouldn´t it be good“ und gelangte mit "I won´t let the sun go down on me" endgültig in den knalligen Stadion-Mitsingmodus. Insgesamt wirkte der Engländer von allen Beteiligten auf der Bühne irgendwie am selbstverständlichsten, hatte eine irgendwie coole Präsenz. Dazu ist er gut gealtert, die Resthaare kurz und weiß, ein cooler Kinnbart, dazu Sonnenbrille. Das hat nichts mehr mit dem etwas zu kurz geratenen Möchtegern-Schönling mit der Föhnfrisur aus den 80ern zu tun. Er versucht erst gar nicht, bemüht an das alte Image heranzukommen und gibt sich selbstbewusst so, wie er eben heute ist. Ich habe gelesen, dass er sich heutzutage mehr dem Progressive Rock widmet und werde mir das mal anhören.  So oder so, ein starker Auftritt!

Es ist so weit, jetzt muss ich die Vorstellung von Samantha Fox beschreiben. Zunächst einmal ließ uns die Dame extrem lange warten … wirklich sehr lange warten! Man kann schon von einer Lücke im Programm reden. Und diese Lücke hätte wirklich gereicht um die Fox zu ersetzen. Da wurde u.a. ein riesiger Sponsoren-Ball ins Publikum geschossen. So ein leichtes Ding von 2-3 Metern Umfang, den man durch das ganze Stadion boxen konnte. Das hat Spaß gemacht, denn ab und an kam der Ball auch zu uns … Heißa!

 

Aber irgendwann hatte dieser Spaß ein Ende und Moderator Peter Illmann (zu ihm gleich mehr) kam auf die Bühne und präsentierte seinen besten Moment. Er setzte setzte bei seiner Ansage ironische Sprüche wie „Auf große Damen muss man halt manchmal lange warten…“ oder „Sie machte bereits früh Schlagzeilen, war auf der ersten Seite der größten englischen Zeitung abgebildet, nur mit Musik hatte das nichts zu tun“ und spielte damit auf ihre Vergangenheit als Pin-Up Girl an.

 

Nun ja, die Ansage war verklungen und der erste Song wurde von der Begleitband bereits gespielt, aber wer nicht kam war Samantha Fox. Geschlagene zwei bis drei Minuten dudelte die Band vor sich hin und nichts, aber auch gar nichts passierte. Als dann schon keiner mit Madame rechnete, schritt sie dann doch noch auf die Bühne und es schien so, als ginge es los. Ja, sie sang scheinbar in das Mikro, nur war nichts davon mitzukriegen. Keine Ahnung, was da los war, aber von Miss Fox war so gut wie nichts zu hören. "Nun gut, das muss ja nicht schlecht sein", dachte ich, denn musikalisch brachte sie in diesem Moment genau das, was ich von ihr erwartet hatte. Nichts! Ich weiß, harte Worte, aber sie ist in meinen Augen (und Ohren) nun mal keine Sängerin.

 

Machen wir´s kurz, irgendwann war sie dann doch zu hören. An den Song „Touch me – I wan´t to feel your body“, der wohl ihr bekanntester ist, kann ich mich jetzt noch erinnern. Den Rest habe ich verdrängt … auch weil sie ein Auftreten an den Tag legte, als wäre hier ein Weltstar unterwegs. Diven-Gehabe pur! Dieser Tage habe ich das Biopic über Whitney Houston gesehen, die auch mal etwas zickig sein konnte, … aber was war sie für eine phänomenale Sängerin und Künstlerin. Die konnte sich das erlauben. Aber lassen wir das, solche Vergleiche passen nun mal nicht.

 

Also weiter zum nächsten und damit vorletzten Auftritt, Alphaville betrat das Podium und ließ es eigentlich auch ordentlich krachen. Mit „Sounds like a Melody“, natürlich „Big in Japan“ und dem Gänsehaut-Highlight „Forever young“ … wohl eine DER Hymnen dieser Zeit, ging es nun ordentlich ab. Allerdings, … Sänger Marian Gold ist entweder total kurzatmig geworden oder er hat einen neuen Stakkato Gesangsstil etabliert. Vor allem bei „Big in Japan“ fand ich den Gesang extrem merkwürdig, quasi abgehackt. Ich bin mir aber wirklich nicht sicher, ob das nicht sogar künstlerisch gewollte Absicht als eine Art Neuinterpretation war.

 

Das letztverbliebene Mitglied der Originalbesetzung, eben Marian Gold, hat sich auch optisch massiv verändert. Vom einstigen Spargeltarzan mit leichtem Mick Jagger-Anstrich der frühen 80er ist nichts mehr übrig. Er ist nun deutlich kompakter unterwegs und erinnert ein wenig an eine Mischung aus Harald Glööckler light und einer schlankeren Version von Luciano Pavarotti. Nein, ich mache mich nicht lustig, denn letztendlich steht ihm das nämlich recht gut.

Kommen wir zum Abschluss des Abends, Holly Johnson von Frankie goes to Hollywood betrat die Bühne … und er legte sofort mit einem Knaller los. Mit „Relax“ gleich zu beginnen war schon mutig, denn für viele ist dieser Song ja bereits der Beste aus dem Repertoire (was ich anders sehe). Optisch ist er zwar ordentlich gealtert, stark weißhaarig und auch nicht mehr so sehr beweglich. Aber stimmlich befand sich Johnson absolut auf der Höhe und  brachte die Masse mit eben jenem „Relax“ sofort in Wallung und zum lauten Mitsingen. Alleine weil das Lied seinerzeit kurzfristig auf dem Index stand, kannte wohl jeder den Text, so laut und sicher wurde mitgesungen. Zum Glück konnte auch der Sound einigermaßen mithalten, denn zum „Frankie-Sound“ gehören nun mal die pumpenden und treibenden Bässe. Diese kamen zwar nicht voll rüber, aber es reichte glücklicherweise, damit die Stimmung oben blieb.

 

Und zwar ganz oben, … was auch daran lag, das der Frankie goes to Hollywood Chef mit „Two Tribes“ und „Rage Hard“ zwei weitere Raketen abschoss. Es folgte noch „Americanos“ aus seinem Soloalbum … und somit hatte ich nur noch den Wunsch, dass er doch „bitte, bitte“ nun mit „The Power of Love“ das Konzert beenden möge. Einen bessern Abschluss als mit diesem FGTH-Song aus dem Dezember 1984 (keinesfalls zu verwechseln mit dem gleichnamigen Jennifer Rush Song) könne es doch für dieses Konzert nicht geben. Was soll ich sagen? Er tat mir diesen Gefallen, …„Keep the Vampires from your door“  erklang und uns ging es gut. Richtig gut!

 

Das war es dann …

 

Ach ja, einige Worte noch zum Moderator: Das man Peter Illmann dafür verpflichtet hat, ist selbstverständlich naheliegend. Seine Vergangenheit als erster Moderator der Kultsendung „Formel Eins“, die Musikvideos in Deutschland erstmals präsentierte, machte das fast schon zur Pflicht. Allerdings hätte ich mir von jemandem, der quasi von der Präsentation dieser Zeit und von Revivals lebt, etwas mehr Verve und Begeisterung bei der Ausübung gewünscht. Zwar leistete er sich nur einen groben inhaltlichen Schnitzer, als er Marc Almond unterstellte, „Tainted Love“ auch geschrieben zu haben (das Original stammt aus den 60ern, was schon 1982 allgemein bekannt war). Aber alles andere war in sich stimmig und eigentlich auch okay, ... aber nur um ein paar Wikipedia-Daten vom Moderationskärtchen abzulesen, dafür hätte es ihn eigentlich nicht zwingend gebraucht. Da war der DJ, der in den Umbaupausen das Publikum unterhielt mit seiner launigen Zwischenmoderation deutlich mit mehr Begeisterung bei der Sache. Aber gut, letztlich hat das niemanden groß gestört, aber ich achte gerade bei Moderationen nun mal aus persönlichen Gründen gerne mal auf Details. Ja, und irgendwie war es dann doch auch für mich ganz nett, ihn mal live zu sehen. Also, alles gut.

 

Mein persönliches Fazit: Für mich war es weniger ein Konzert, sondern wirklich eher eine 80er Party mit vielen Weg-Begleitern. Diese standen entweder auf der Bühne oder waren im Publikum zu finden. Da gab es einiges zu bestaunen, u.a. hat da das eine oder andere neonfarbene Kleidungsstück den Weg aus dem ältesten Kleiderschrank ganz unten links wieder an die Oberfläche gefunden. Da trug auch die Oberstudiendirektorin auf einmal wieder Netzhemd und Stirnband, natürlich farblich aufeinander abgestimmt. Einige kramten auch ihre alten Jacken in Pastellfarben wieder hervor, was genauso „grausam-schön“ aussah wie damals. Viele nahmen sich dabei selbst nicht so ernst, was mir gut gefiel. Nur die angeblichen 80er Deiters-Verkleidungen hätten manche (meist jüngere) sich sparen können, weil die nun mal wirklich nicht aus dieser Zeit stammen und sowas früher auch keiner in dieser Art und Weise so getragen hat.

 

Egal, das Ganze war insgesamt ein großer Spaß und auch wenn ich im Text etwas über den einen oder anderen spaßig gelästert habe, sie hatten alle ihre Berechtigung dabei zu sein. Man darf nicht vergessen, einige von den Künstlern waren seinerzeit echte Superstars, ob man das selbst so empfand oder nicht. Und jede(r) hat seinen Teil dazu beigetragen, dass wir uns tatsächlich ein wenig so fühlten, als wären die 80er Jahre für mehr als sechs lange Stunden noch einmal zurückgekehrt. Das war es wirklich wert!

 

Wer also das Ganze nicht zu bierernst nimmt und nicht zu viel Konzert-Perfektion erwartet (natürlich sollte man aber ein Konzert auch HÖREN können, an diejenigen, die im Oberrang saßen), dabei auch ein wenig Toleranz beim einen oder anderen Künstler walten lässt, dem kann ich diese Feier (2024 soll es wieder eine geben, diesmal „Auf Schalke“) durchaus empfehlen. Allerdings braucht man, bei Plätzen im Innenraum, sehr gutes Stehvermögen. Die Knochen taten im Nachhinein, nach mit allem drum und dran mehr als sieben Stunden auf den Beinen, schon ganz schön weh … nun ja, man ist ja selber auch nicht mehr der Jüngste.

 

Eines war mir schnell klar, von diesem Abend mit seinen vielen Eindrücken zehrt man lange. Für mich selbst kommt dennoch eine Wiederholung eher nicht in Frage, denn ein zweites Mal wäre nur noch ein Abklatsch. Wir nehmen das jetzt so mit und erinnern uns an einen tollen Tag mit zwischenzeitlich wunderschönen Gänsehautmomenten … und an einige Fremdschäm-Momente, die hinterher aber auch lustig zum weiter erzählen sind.

 

 

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